Lässt sich die Millionärssteuer steuersystematisch begründen?

05. November 2014

Es gibt einen Mythos unter den Konservativen, der besagt, dass die Millionärssteuer nicht steuersystematisch zu begründen sei (etwa hier). Der vorliegende Beitrag diskutiert die klassischen Begründungsversuche kritisch und macht einen neuen Vorschlag, der auch politisch nützlich sein könnte: die Millionärssteuer als zusätzliche Einkommenssteuer, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip der Einkommensbesteuerung zum Durchbruch verhilft.

 

Die zwei wichtigsten steuersystematischen Überlegungen zur Rechtfertigung von Steuern sind das Äquivalenz- und das Leistungsfähigkeitsprinzip.

Das Prinzip der Leistungsfähigkeit verlangt, dass jeder nach seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen soll. Es dient u.a. zur Rechtfertigung eines progressiven Einkommenssteuertarifs. Das Prinzip der Äquivalenz wiederum verlangt, dass die Profiteure einer öffentlichen Leistung auch angemessen dafür bezahlen sollen. Die Grundsteuer etwa folgt dieser Überlegung. Sie fließt den Gemeinden zu, die den hiesigen Grundbesitzern wiederum die nötige Infrastruktur zur Verfügung stellen (Straßen-, Wasserbau, Verkehr, etc.). Insgesamt wird es wohl kaum eine Steuer geben, die nicht durch das eine oder das andere Prinzip gerechtfertigt worden ist.

Klassische Argumente zur Rechtfertigung der Millionärssteuer

Tatsache ist, eine Millionärssteuer kann sowohl nach dem Leistungsfähigkeits- als auch nach dem Äquivalenzprinzip gerechtfertigt werden.

Nach gängigem Verständnis ist die Millionärssteuer eine Steuer auf das Nettovermögen natürlicher Personen (also Gesamtvermögen minus Schulden) ab einem Freibetrag von 1 Mio. € pro Haushalt. Ein Steuersatz von 0,5% bspw. impliziert, unter der Annahme einer Kapitalrendite von 4%, einen Einkommenssteuersatz von 12,5%, der den aktuell gültigen Kapitalertragssteuersatz von 25% entsprechend erhöhen würde.

Beim Blick auf die Verteilung des Haushaltsvermögens in Österreich werden 3 Dinge klar:

  • Das Nettovermögen ist äußerst ungleich verteilt.
  • Bei einem Freibetrag von 1 Mio. € wären nur die reichsten 5% der Haushalte betroffen.
  • Die relative Bedeutung von Finanzvermögen steigt mit dem Nettovermögen.

Die reichsten 5% der Haushalte sind die großen Profiteure der Krisenbewältigungspolitik. Die Bankenrettungspakete sowie auch die expansive Geldpolitik der EZB, deren Bilanzrisiken ja anteilsmäßig ebenfalls beim österreichischen Fiskus liegen, kamen überproportional den großen Vermögen zugute. Wer mehr hat, der hatte auch mehr zu verlieren. Eine Millionärssteuer könnte somit als äquivalenter Beitrag zum österreichischen Krisenlastenausgleichsfonds (auch Bundesbudget) ausgestaltet werden. Allein schon der Abbau der krisenbedingt höheren Staatsschulden (knapp 70 Mrd. € nach ESVG 1995) würde die Einführung einer Millionärssteuer von 0,5% für 25 Jahre rechtfertigen. Mit ähnlicher Begründung hat der IWF eine einmalige Abgabe auf Sparguthaben vorgeschlagen.

Seit Einführung der preußischen Ergänzungssteuer von 1892, die verblüffende Ähnlichkeiten mit der Millionärssteuer aufweist, wird auch mit der Leistungsfähigkeit argumentiert. Dabei sind das Besitz- und das Fundierungsargument zu unterscheiden. Nach dem Besitzargument entfaltet der Besitz von Vermögen eine eigene Leistungsfähigkeit, weil es neben dem Einkommen auch Ansehen, Macht, Kreditwürdigkeit, etc. garantiert. Das Fundierungsargument wiederum verlangt, Einkommen aus Vermögen (auch Kapitaleinkommen) anders zu behandeln als Arbeitseinkommen, da sie relativ mühelos und risikofrei fließen. Beide Argumente haben eine gewisse Gültigkeit behalten, beeindrucken den politischen Gegner aber nur mäßig und kommen auch in der öffentlichen Debatte nicht durch.

Ein neuer Vorschlag zur Begründung

Die Millionärssteuer ist jedenfalls als zusätzliche Einkommenssteuer begründbar, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip der Einkommensbesteuerung zum Durchbruch verhilft.

Tatsächlich besteuert das österreichische Steuersystem in seiner Gesamtheit (also Einkommenssteuer, Verbrauchssteuern und SV-Beiträge zusammen) unsere Einkommen kaum progressiv. (siehe Abbildung) Der effektive Steuersatz über die Einkommensgruppen hinweg liegt relativ einheitlich bei knapp 40%. Das liegt insbesondere an den linearen Steuersätzen der Umsatzsteuer sowie an der Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung. Eine regressive Verteilungswirkung hat auch die Kapitalertragssteuer (KESt), die die stark oben konzentrierten Zins- und Dividendeneinkünfte einheitlich mit 25% endbesteuert (während Arbeitseinkommen mit bis zu 50% besteuert werden). Eine Millionärssteuer von bspw. 0,5% würde die effektive Besteuerung der Zins- und Dividendeneinkünfte Richtung 40% heben – für die reichsten 5% der Haushalte wohlgemerkt.

Abgaben in % der Bruttogesamteinkommen der Unselbständigenhaushalte, 2000 und 2005

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Guger et al. (2009), Umverteilung durch den Staat, WIFO Studie

Ich denke, dass es nicht nur für die Steuerjuristen, sondern auch für die Medien relativ einleuchtend ist, dass der Status quo unsystematisch ist, weil die Leistungsfähigeren relativ mehr zahlen sollten anstatt gleich viel wie die weniger Leistungsfähigen. Mit anderen Worten, die Millionärssteuer ist eine notwendige zusätzliche Einkommenssteuer, zur Durchsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips.