Höchste Zeit für die rote Karte!

16. April 2014

Viel ist derzeit von “denen” in Brüssel die Rede, denen wir es am 25. Mai endlich mal zeigen können. Die Unzufriedenheit der Menschen mit “der EU” nähert sich gerade in Österreich wieder einmal Höchstständen. Doch wer glaubt, das sei ungerecht und die Menschen verstünden „unser Europa“ nur nicht richtig, irrt gewaltig. Denn der Unmut ist gerechtfertigt, nur sollten wir vorher nachdenken, wer die richtige Adresse für einen „Denkzettel“ bei den EU-Wahlen ist.

Verheerende soziale Situation

Die soziale Lage der Menschen in der EU verschlechtert sich dramatisch. Die Politik der EU scheint gescheitert, es ist höchste Zeit für einen Kurswechsel. Denn nicht nur die Arbeitslosigkeit steigt auf Rekordhöhen, auch die übrigen sozialen Kennzahlen sind alarmierend:

  • Die Armut hat inzwischen einen Sechsjahreshöchststand erreicht: Nahezu 25 Prozent der Menschen, also jede/r vierte (!) EU-Bürgerin/EU-Bürger ist akut von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Seit der Verabschiedung der neuen Europa-2020-Strategie im Jahr 2010 hat sich die Situation nicht verbessert, sondern nochmals massiv verschlechtert: Seitdem leben 6,6 Mio. Menschen mehr in Armut als zuvor.
  • In einer Reihe von EU-Staaten ist eine steigende „materielle Unterversorgung“ zu verzeichnen. Dies heißt im Klartext, dass diese Menschen nicht einmal mehr ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Gleichzeitig steigt die Einkommensungleichheit sowohl im Ländervergleich als auch innerhalb der Mitgliedsstaaten an, in denen die Arbeitslosigkeit am stärksten zugenommen hat.

Desaströse Bilanz der EU-Kommission

Die Politik des konservativen Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, seit nunmehr zehn Jahren an der Spitze der Kommission, steht nicht nur für eine Dekade des Stillstands, sondern seit der Krise auch für eine Dekade der ökonomischen und sozialen Verwerfungen in der EU. Die noch amtierende EU-Kommission ist aber weder in der Lage noch hat sie den Willen, ihren verfehlten wirtschaftspolitischen Kurs grundlegend zu ändern. Sie hat zwar eine Vielzahl neuer Instrumente geschaffen, um auf die Krise zu reagieren, insbesondere das Europäische Semester und den Jahreswachstumsbericht im Rahmen der Economic Governance. Diese neuen Instrumente beruhen aber vor allem auf einer harten Sparpolitik und neoliberalen Strukturreformen. Dagegen sind die richtigen Ziele der EU-2020-Strategie, vor allem die Erhöhung der Beschäftigungsquote und die Reduzierung der Armut, diesen neuen Instrumenten bis heute untergeordnet.

Zeit für Neuanfang

Die soziale Entwicklung in der EU zeigt auch eine gefährliche und sich vertiefende Kluft zwischen den Mitgliedsstaaten. Die zahlreichen Erweiterungen haben also leider bislang nicht zu einer Annäherung der Lebensbedingungen in der EU geführt. Diese Entwicklung, vor der ÖGB und AK lange gewarnt haben, führt logischerweise zu einem weiteren Verlust der Akzeptanz der EU bei den Menschen. Doch die Kommission scheint daraus nicht gelernt zu haben, im Gegenteil: Der für Erweiterung zuständige EU-Kommissar Stefan Füle befürwortet allen Ernstes bereits eine Aufnahme der Ukraine in die EU. Ein Beitritt habe eine „beispiellos verändernde und stabilisierende Kraft“, so Füle in der Tageszeitung „Die Welt“. All dies zeigt: Dieser Kommission gehört dringend die rote Karte gezeigt. Am 25. Mai wird schließlich nicht nur das EU-Parlament gewählt, sondern indirekt auch über den nächsten Kommissionspräsidenten entschieden. Und neben Jean-Claude Juncker, einem Parteifreund von Barroso, steht mit Martin Schulz als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokratie auch ein politischer Neuanfang zur Wahl.

Dieser Beitrag stammt aus der eben neu erschienenen Ausgabe von Arbeit&Wirtschaft mit dem Schwerpunktthema EU:  „Den Stier bei den Hörnern packen”
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