Gewinn mit MitarbeiterInnen „teilen“ – ein Erfolgsmodell?

02. September 2013

Es ist wieder so soweit. Die ÖVP fordert lautstark, die MitarbeiterInnen am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen. Grundlage soll der „steuerliche Gewinn“ der Unternehmen sein. Macht das Unternehmen also einen Gewinn, soll freiwillig ein Teil als Prämie an die Beschäftigten weitergegeben werden. Als Anreiz wird eine steuerliche Lohnsteuerbegünstigung gefordert. Verkauft wird das Modell als „Mitarbeiterbeteiligungsmodell“.

Prämienmodelle sind nichts neues, aus verschiedenen Untersuchungen zeigt sich, dass etwa ein Viertel bis ein Drittel der österreichischen Beschäftigten bei Eintreffen bestimmter – in der Regel erfolgsabhängiger – Bedingungen Prämien erwarten darf[1]. Die Modelle sind dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet. Was bei einem Unternehmen definitiv als „Add on“ vereinbart wird und damit für die begünstigten Beschäftigten zu einer tatsächlichen Aufbesserung des Fixgehalts führt, kann bei anderen Modellen über die Zeit als bloßer Abtausch mit direkten Lohn- und Gehaltskomponenten entwickeln. Im zweiten Fall übernehmen die Beschäftigten wirtschaftliches Risiko. Sollte die wirtschaftliche Lage gerade mal nicht so rosig sein, gibt es auch in Summe weniger Gehalt.

Prämienmodelle zu fördern, wie es ÖVP und ArbeitgebervertreterInnen seit Jahren wünschen, treibt die Flexibilisierung der Löhne und Gehälter voran. Es ist anzunehmen, dass die meisten Betriebe und Beschäftigten steuerliche Vorteile nicht auf der Straße liegen lassen und entsprechend Druck aufbauen würden,  Prämienmodelle auf betrieblicher – und vermutlich auch kollektivvertraglicher Ebene – auszuarbeiten und zu nützen.

Doch wer profitiert von solchen Modellen?

Die Antwort darauf dürfte wenig erstaunen, es sind vor allem besser Verdienende, eher Männer und eher Beschäftigte in größeren oder international aufgestellten Unternehmen. So zeigt eine Untersuchung der deutschen Boekler Stiftung, dass etwa bei den hoch qualifizierten Angestellten jeder vierte Prämien bezieht – in der Höhe von durchschnittlich 6.000 € pro Jahr. Bei den angelernten und ungelernten Arbeitern ist nur etwa jeder 30 von einem Prämienmodell erfasst ist und wenn überhaupt, dann auch nur eine durchschnittliche Prämie in der Höhe von etwa 500 € erwarten darf[2]. Die Boniexzesse von Vorständen der Topunternehmen bzw bei den Banken deuten in dieselbe Richtung. Boni in der Höhe von mehreren hunderttausend Euro sind in den Vorstandsetagen auch der heimischen Topunternehmen keine Seltenheit. Je höher somit der Verdienst ist, desto (unverhältnismäßig) höher ist auch die Prämie.

Ganze Sektoren würden auf Grund ihrer Ausrichtung Erfolgsprämien kaum anbieten können, allen voran der gesamte Non-Profit-Sektor mit rund 170.000 Beschäftigten. Dies gilt gleichermaßen auch für Beschäftigte in öffentlich rechtlichen Unternehmen und Institutionen. Zum einen haben diese Unternehmen keinen Gewinnauftrag zu erfüllen, zum anderen vermutlich kaum finanziellen Spielraum, um Prämien zu bezahlen.

Auch Beschäftigte in KMUs werden einen wesentlich schwierigeren Zugang zu Erfolgsprämien haben. Einerseits ist die Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen geringer als bei den großen Industrieunternehmen. Die Beschäftigten dieses Bereiches werden es aber auch schwer haben, Prämienforderungen an ihren Arbeitgeber zu richten, da sie meist über die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers nicht informiert werden. Sämtliche Einzelunternehmen, Personengesellschaften und kleine GmbHs (bis ca. 50 Beschäftigte) brauchen keine Gewinn- und Verlustrechnungen veröffentlichen. Auch Betriebsräte bekommen erst ab 70 Beschäftigten Einblick in die Bilanz. Die meisten KMU-Beschäftigten werden also nie eine Gewinn- und Verlustrechnung zu Gesicht bekommen, um einen Prämienanspruch geltend machen oder überprüfen zu können.

Und letztlich ist jeder dritte Beschäftigte entweder nicht jahresdurchgängig oder als Saisonarbeitskraft beschäftigt – vor allem in der Bau- und Tourismusbranche. Auch hier werden Jahresprämien, die am Bilanzerfolg anknüpfen, nicht durchsetzbarsein. Viele Beschäftigte werden also nicht in den Genuss von Prämien, geschweige denn, einer damit verbundenen steuerlichen Förderung gelangen. Und diese Beschäftigten zählen meist nicht zu den besten Verdienern und haben noch dazu häufig wichtige Aufgaben zu erfüllen, die der Gesellschaft zu Gute kommen. Verteilungspolitisch verstärken Prämienzahlungen tendenziell die Ungleichverteilung.

Es sei aber noch auf einen weiteren interessanten Aspekt hingewiesen. Den größten Druck, Prämienmodelle zu fördern, gab es in Hochkonjunkturzeiten bis 2008. Die Arbeitgeber wollten vermeiden, dass sich die hohen erzielten Gewinne in nachhaltigen Lohnabschlüssen widerspiegeln. Einmalige erfolgsorientierte Prämien sind dagegen nicht nachhaltig. Dementsprechend wurde damals auch der Druck erhöht, den Anteil von Einmalzahlungen zu erhöhen. Langfristig führt das Forcieren von Einmalzahlungen in Verbindung mit einem Abtausch mit nachhaltigen Lohnerhöhungen zu enormen Einbußen beim Lebenseinkommen für die betroffenen Beschäftigten.

Steuerliche Förderung – wozu?

Warum soll die Prämie etwa eines gut verdienenden Angestellten, die dieser zusätzlich zu seinem fixen Gehalt bekommt, steuerlich begünstigt werden und der reguläre Fixbezug etwa einer Heimhelferin, die im gemeinnützigen Sektor arbeitet, nicht? Warum soll ein Lohnsystem begünstigt werden, welches bei vielen Beschäftigten zu einem Abtausch von Fixgehältern gegen variable Gehälter führt und den Beschäftigten auch noch wirtschaftliches Risiko aufdrängt? Eine steuerliche Förderung wäre dann gerechtfertigt, wenn etwa systematische Ungerechtigkeiten vermieden werden sollen. Dies ist aber hier nicht der Fall. Zum einen sind Erfolgsbeteiligungen bei einer Verbreitung von etwa 30% ohnedies bereits seit Jahren betriebliche Realität. Und zum anderen ist zu befürchten, dass der verteilungspolitische Lenkungseffekt in die falsche Richtung erfolgt und den Spread zwischen Gut-Verdienern und Beschäftigten mit niedrigem Einkommen erhöht.

Wann machen Erfolgsbeteiligungsmodelle Sinn?

Aus meiner Sicht spricht nichts gegen Prämienmodelle, die auf partnerschaftlicher Ebene im Betrieb oder mit den Gewerkschaften ausreichend diskutiert und ausgehandelt werden. Wenn gegenseitiges Vertrauen vorhanden ist – insbesondere davon ausgegangen werden kann, dass die Prämien „on top“ bezahlt werden –  profitieren die begünstigten Beschäftigten von solchen Modellen. Ein systematisches Ausrollen auf alle Beschäftigte – insbesondere mittels einer steuerlichen Förderung – ist aber abzulehnen. Das Risiko ist zu hoch, dass  – abgesehen von den unerwünschten negativen Verteilungseffekten – durch die Nutzung der Steuervorteile der Blick auf die gravierenden langfristigen Nachteile in Form einer Übernahme von Unternehmensrisiko verstellt wird.

Abschließend sei noch erwähnt, dass Erfolgsbeteiligungen keine „Mitarbeiterbeteiligungsmodelle“ im klassischen Sinn sind. Weder werden die Beschäftigten am Kapital des Unternehmens beteiligt, noch werden ihnen irgendwelche zusätzlichen Mitbestimmungsrechte eingeräumt. Bei ausgewählten Unternehmen, insbesondere bei Übernahmekandidaten, erscheint es aber sinnvoll, strategische Mitarbeiterbeteiligungsmodelle à la Voest alpine zu forcieren und damit langfristig einen Beitrag – im Bündel mit anderen Maßnahmen – zur Sicherung des Standortes zu leisten. Aber auch hier gilt es, den Mythos Mitarbeiterbeteiligung zu entzaubern. Das beste Modell nützt nichts, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen und das Vertrauen der betrieblichen Partner nicht ausreichend ist. Die beste „Mitarbeiterbeteiligung“ ist allemal eine faire nachhaltige Lohnerhöhung mit entsprechender Abgeltung der Inflation sowie des Produktivitätszuwachses.

 


[1] Siehe etwa Kronberger/Leitsmüller „Mitarbeiterbeteiligung in Österreich“ , 2006

[2] WSI 2007/1