Gendersensible Nachfolgeplanung als Schlüssel zu mehr Frauen in Führungspositionen

18. August 2017

Im Rahmen einer – vom Netzwerk Wissenschaft der AK Wien geförderten – Masterarbeit wurden anhand von qualitativen Interviews mögliche Einflussfaktoren auf die weibliche Unterrepräsentanz in den Führungsetagen österreichischer Unternehmen untersucht. Das zentrale Ergebnis: Neben notwendigen gesetzlichen Regelungen, wie z. B. Quoten, kann die Wirtschaft durch Eigeninitiative einen wesentlichen Beitrag leisten, um weiblichen Führungskräften den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen und so den Anteil von Frauen in Managementpositionen zu erhöhen. Chancengleichheit als Unternehmensziel, familienfreundliche Werte und ein Commitment der obersten Führungsspitze bilden dafür die notwendige Basis. Wie aus der Unternehmenspraxis hervorgeht, ist neben transparenten Strukturen, Mentoring sowie bedürfnisorientierten Arbeitsmodellen ein nach Gender- und Diversity-Gesichtspunkten ausgelegtes Nachfolgemanagement entscheidend.

Geschlechtergerechte Unternehmenskultur?

Im Jahr 2013 koordinierte das Bundesministerium für Frauen das – von der Europäischen Kommission ko-finanzierte – PROGRESS-Projekt „Women are top!“. Gemeinsam mit der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) wurden in einem Teilprojekt 50 Best-Practice-Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte bzw. für eine geschlechtergerechte Organisationskultur vorgestellt. Aus dieser Initiative ist als weiterführende Erhebung die Masterarbeit „Frauen in Führungspositionen – eine empirische Untersuchung organisationeller Rahmenbedingungen in privatwirtschaftlich agierenden Großunternehmen in Österreich“ entstanden. In dieser Erhebung wurden von Jänner bis April 2017 Schlüsselpersonen in den – zuvor nach Kriterien wie Branche, Historie, Eigentümerstruktur definierten – Vorzeigeunternehmen ERSTE Bank Österreich, IKEA Österreich und Österreichische Post u. a. zur herrschenden Unternehmenskultur, den bestehenden Strukturen und möglichen Karrierehemmnissen befragt. Die persönlichen Interviews lieferten eine große Bandbreite an Erkenntnissen: So machte der Unternehmensvergleich deutlich, dass genderspezifische Initiativen und personengebundene Maßnahmen (z. B. Weiterbildung, Mentoring) dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn sich die unternehmensinternen Rahmenbedingungen an den neuen, dynamischen Arbeitsanforderungen und individuellen Lebenswelten orientieren.

Commitment des Top-Managements entscheidend

Die Fragestellung der Masterarbeit („Welche Rahmenbedingungen und Maßnahmen begünstigen den Anteil von Frauen in Führungspositionen?“) kann – auf Basis der Befragungsergebnisse – über vier zentrale Einflussfaktoren (Struktur, Förderprogramme und Arbeitsmodelle, Unternehmenskultur, Anspruch an Karriere und Führung) beantwortet werden.

Einflussfaktoren auf die Etablierung weiblicher Führungskräfte

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: Masterarbeit „Frauen in Führungspositionen“ (Silvia Jankovic, 2017) © A&W Blog
Quelle: Masterarbeit „Frauen in Führungspositionen“ (Silvia Jankovic, 2017)

Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, dass insbesondere eine positive Haltung der obersten Führungsetage bzw. des Vorstands oder der Geschäftsführung als entscheidender Erfolgsfaktor gilt. Nur durch das Commitment der Führungsspitze lassen sich genderspezifische Maßnahmen umsetzen, entsprechende Unternehmensziele formulieren und „Talentepools“ bzw. Nachfolgepositionen gendergerecht besetzen, was wiederum den Anteil weiblicher Führungskräfte sukzessive steigert.

Neue Karrierewege und strategische Nachfolgeplanung unerlässlich

Während bei den strukturellen Gegebenheiten, wie z. B. offene Bürokonzepte, die flexibles Arbeiten unterstützen, moderne IT-Infrastruktur und informelle Netzwerke, sowie dem Angebot an personengebundenen Förderprogrammen bereits ein Umdenken in den Unternehmen stattgefunden hat, wird die Definition von „der“ Karriere nur vereinzelt hinterfragt. Muss Karriere immer linear verlaufen? Können betreuungspflichtige Unterbrechungen nicht als Chance gesehen werden? Muss eine Führungskraft mindestens 40 Stunden arbeiten? Es geht auch anders: Beispielsweise wird bei IKEA Österreich schon seit einigen Jahren auf alternative Führungsmodelle gesetzt, wie z. B. Führen in Teilzeit oder geteilte Führung. Im Zuge der Masterarbeit ist es zu Gesprächen mit Frauen gekommen, die ihre Teams in einer 25-Stunden-Arbeitswoche vielversprechend führen. Managerinnen, die, nicht zuletzt aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolges, eine besondere Vorbildwirkung haben. Die empirische Erhebung zeigt außerdem, dass eine sorgsame und langfristig ausgelegte Nachfolgeplanung nach Gender- und Diversityfaktoren wesentlich zur Geschlechtergerechtigkeit im mittleren Management (und dann infolge bis zur Führungsspitze) beiträgt. Aufgrund des laufenden Monitorings der Entwicklung kann der Anteil weiblicher Führungskräfte Schritt für Schritt aufgebaut werden und das Erreichte langfristig gesichert werden.

Umdenken und Eigeninitiative der Wirtschaft notwendig

Dem Gender-Index der Statistik Austria zufolge weisen Frauen mittlerweile eine sehr gute Ausbildung sowie höhere Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt auf. Trotz zahlreicher staatlicher und betrieblicher Initiativen verdeutlicht der Frauen.Management.Report.2017 der Arbeiterkammer Wien, dass heimische Entscheidungspositionen nach wie vor mit über 92 Prozent Männern vorbehalten sind. Ebenso wird darin die Entwicklung der Anteile weiblicher Führungskräfte in der Privatwirtschaft dokumentiert – diese sind in den letzten zehn Jahren um lediglich zwei Prozent gestiegen. Mit einem Platz im Vorstand oder der Geschäftsführung könnten Frauen gleichberechtigt an wichtigen Entscheidungen des Unternehmens mitwirken, größere Sach- und Personalverantwortung und höhere Bezahlung sowie Ansehen generieren. Neben einer besseren sozialen und finanziellen Absicherung könnte damit auch ein Aufbruch von gesellschaftlichen Stereotypen ins Rollen gebracht werden. Die Vorteile von weiblichen Führungskräften und gemischten (Führungs)-Teams, wie z. B. kreativerer Output und ein produktiveres Betriebsklima, können durchaus einen gewichtigen Wirtschaftsfaktor darstellen.

„… in unserer Unternehmensvision steht: ‚We are for the many people‘, und die ‚many people‘ sind Männer und Frauen zu gleichen Teilen. Als Arbeitergeber können wir uns gar nicht erlauben, auf 50 Prozent des Potenzials zu verzichten.“ (PR Managerin, Ikea Österreich)

Neben „harten“ Regelungen, wie z. B. dem kürzlich erlassenen Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern in Aufsichtsräten großer und börsennotierter Unternehmen (GFMA-G 2017), wird es unerlässlich sein, dass sich Unternehmen auf die neuen Marktgegebenheiten und Potenziale für einen langfristigen Erfolg einlassen müssen. Dazu braucht es eine strategische Verankerung der Gleichheit, ein Angebot an individuellen Arbeitsort und -zeitmodellen, das Hinterfragen des klassischen Karriereverständnisses und interner Strukturen sowie eine Wertekultur, die stereotype Vorurteile in der eigenen Organisation aufbricht.

Die Masterarbeit „Frauen in Führungspositionen – eine empirische Untersuchung organisationeller Rahmenbedingungen in privatwirtschaftlich agierenden Großunternehmen in Österreich“ wurde vom Netzwerk Wissenschaft der AK Wien gefördert.