Für und Wider der Flugticketabgabe

21. September 2015

 

Dieser Tage meldete der Flughafen Wien-Schwechat einen neuen Passagierrekord. Der August 2015 war „der stärkste Monat in der Airport-Geschichte“. Dabei war bereits das Jahr 2014 jenes mit den meisten bisher transportieren Fluggästen. Gleichzeitig lobbyiert unter dem Schlagwort Standortsicherung die gesamte Flugbranche derzeit in einer konzertierten Aktion  für die Abschaffung der Flugticketabgabe. Diese wurde 2011 eingeführt und beträgt für Abflüge aus Österreich – je nach Länge der Strecke – sieben, 15 bzw. 35 Euro. Diese Abgabe gibt es sonst nur in Deutschland, wo die Sätze geringfügig höher sind. An diesem „Alleinstellungsmerkmal“ setzt auch die Kritik an.

Die sogenannte Oxford-Studie

Zur wissenschaftlichen Unterfütterung hat die Konsulentengruppe „Oxford Economic“ im Auftrag von WKÖ, Industriellenvereinigung, AUA und Flughafen Wien eine Kurzstudie  zu den positiven wirtschaftlichen Auswirkungen einer allfälligen Abschaffung der Flugticketabgabe erstellt. Unter anderem verspricht sie die Schaffung von 3.360 neuen Arbeitsplätzen. Dabei wird von der simplen Realität ausgegangen, dass sinkende Transportpreise zu einer 1:1 steigenden Nachfrage führen. Allerdings hat die Studie eine Reihe von Schwachstellen:

  • Die AutorInnen errechnen, dass die Abschaffung der Abgaben die Ticketpreise um durchschnittlich 4,2% senken und dies zu einem Anstieg der Passagierzahlen um 4,4% führen würde. Das entspricht einer so genannten Preiselastizität von 1 und ist in der seriösen wissenschaftlichen Literatur sonst nirgends zu finden. Dieser Wert ist nämlich völlig unrealistisch. Er besagt, dass die Halbierung der Transportpreise zu einer Verdoppelung des Verkehrsaufkommen führen würde (bzw. umgekehrt) und stellt ein verkehrspolitisches „Perpetuum mobile“ dar.
  • Weiters geht die Studie davon aus, dass die Fluglinien die reduzierten Kosten vollständig an die Fluggäste weitergeben. Werden die Einsparungen anders verwendet (z.B. für höhere Renditen oder Manager-Boni), reduziert dies die wirtschaftlichen Vorteile. Dasselbe tritt ein, wenn im Gegenzug Verbesserungen für die Belegschaft durchgesetzt werden.
  • Die „Oxford“-Autoren argumentieren, dass die Einführung des CO2-Emissionshandels im Flugverkehr, die Flugticketabgabe obsolet macht. Allerdings gilt der Emissionshandel seit 2013 nur bei Flügen innerhalb der EU. Auch hier werden 85 Prozent der CO2– Zertifikate gratis vergeben („Grandfathering ) und nur Verschmutzungen, die darüber hinausgehen, versteigert. „Die Kosten für den innereuropäischen Emissionshandel für die Lufthansa Group liegen jedes Jahr im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“; das geht aus dem Lufthansa-Nachhaltigkeitsbericht 2014  hervor. Dies entspricht einer Belastung von einem halben Euro pro Fluggast.

Wie steht es mit der Kostenwahrheit?

Auf den Destinationen Wien – Zürich bzw. Frankfurt und Warschau kann man sowohl mit Direktzügen, als auch mit dem Flugzeug reisen. Beispielhaft soll ein direkter Kostenvergleich von Flugabgabe mit Umsatzsteuer und Energieabgabe angestellt werden. Bekanntlich fällt keine Kerosinsteuer an. Bei internationalen Flügen gibt es auch keine Umsatzsteuer auf das Ticket. Grundlage für die Umsatzsteuer ist der Standardtarif der ÖBB für die 2. Klasse. Angenommen wird ein Railjet-Zug mit 50-prozentiger Auslastung (204 Fahrgäste) und einem Energieverbrauch von 12 kWh pro Kilometer und der Fiktion, dass die Energieabgabe (1,5 Cent/kWh) auf der gesamten Strecke anfallen würde. Dass für den Bahnstrom auch noch Mehrwertsteuer anfällt, wurde hier nicht berücksichtigt. ETS steht für „Emission Trading System“ und die damit verbundenen Kosten – beispielhaft – für die Lufthansa-Gruppe

Belastung pro PassagierFlugzeugBahn
FlugabgabeETSUmsatzsteuerEnergieabgabe
Wien – Zürich7 €ca. 0,5 €11,10 €0,84 €
Wien – Frankfurt7 €ca. 0,5 €14,22 €0,63 €
Wien – Warschau7 €ca. 0,5 €9,00 €0,60 €

Man sieht aus der Tabelle, dass die bestehende Flugabgabe einen Beitrag zu mehr Kostenwahrheit zwischen den Verkehrsträgern leistet.

Weitere Argumente gegen die Abschaffung der Flugabgabe

Die nicht vorhandene Besteuerung von Kerosin führt laut VCÖ  zu einem Steuerausfall von mehr als 400 Mio. € jährlich für den österreichischen Staat. Da ist die Flugticketabgabe mit 90 Mio. € Aufkommen ohnehin nur ein geringer Ausgleich. Gerade in Zeiten, die letzten Details der Gegenfinanzierung der Lohnsteuerreform festgelegt werden, kann der Staat kaum auf dieses Geld verzichten.

Die Flugticketabgabe ist sozial sehr ausgewogen. Einer kleinen Elite von Vielfliegern steht die große Mehrheit von Wenig- bis Nichtfliegern gegenüber. Denn laut Statistik Austria machen nur drei Viertel der Bevölkerung Urlaub, deutlich weniger als ein Drittel der Reisenden wir dafür das Flugzeug benutzten. Daraus folgt: Rund 80 % der Menschen in Österreich werden in diesem Jahr privat kein Flugzeug benutzen!

Es ist auch ökologisch widersinnig, die klimaschädlichste Transportart steuerlich am wenigsten zu belasten.  Denn ein Kurzstreckenflug verursacht durchschnittlich 365 Gramm CO2 pro Personenkilometer, ein Langstreckenflug 291 Gramm. Beim Pkw sind es 160 Gramm CO2 pro Personenkilometer, bei der Bahn rund 16 Gramm. Die negative Klimawirkung des Flugverkehrs ist um das 2,7-fache höher als am Boden, weil die Treibhausgase in größeren Höhen in der Atmosphäre ausgestoßen werden. Das Flugzeug ist also 20-mal klimaschädlicher als die Bahn und doppelt so klimaschädlich wie das Auto.

Generell ist zu hinterfragen, warum Transport um jeden Preis künstlich billig gemacht werden muss. Die derzeit vorherrschende Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft – und all deren negativen Begleiterscheinungen – benötigt nämlich als „Schmiermittel“ möglichst billigen Transport: Es wird dort produziert, wo es am günstigsten ist. Der Transport zu den KonsumentInnen soll dabei möglichst wenig kosten. Sinkende Frachtraten und Reisekosten werden aber mit Sozial- und Umweltdumping erkauft. Daran sollte man denken, wenn man der Abschaffung der Flugabgabe das Wort redet.