Fünf Thesen zum Schienengüterverkehr

21. Februar 2014

Am Freitag, dem 21. Februar 2014 veranstaltet die AK Wien die Konferenz „Mehr Güter auf die Schiene! – Perspektiven und Maßnahmen zwischen Wettbewerb, Klimawandel und Daseinsvorsorge“. Die Verkehrsgewerkschaft vida als Vertretung der Beschäftigen auf der Schiene, der Straße und der Luftfahrt gleichermaßen, nimmt dies zum Anlass, um fünf Thesen zum ökologisch und sozial nachhaltigen Güterverkehr zu formulieren.

  1. Die Transportkosten sind zu niedrig. Das führt dazu, dass Jeans im Laufe ihrer Erzeugung rund 50.000 Kilometer zurücklegen, ehe sie über den Ladentisch gehen. Niedrige Frachtraten ermöglichen erst die Produktionsverlagerung in die jeweils aktuellen Billiglohnländer, die so gegeneinander ausgespielt werden.
  2. Billiger Transport geht aber stets auch auf Kosten der Umwelt und der Verkehrsbediensteten. Daher benötigen wir Kostenwahrheit. Laut einer Studie von Herry Consult aus dem Jahr 2011 liegt der Unterschied der externen Kosten (für Klimaschäden, Luftverschmutzung, Lärm, Unfälle, Landschaftsverlust usw.) zwischen Straße und Schiene im Güterverkehr bei 26,71 Euro je 1.000 Tonnen-Kilometern. Nimmt man das transportierte Gütervolumen des ÖBB-Konzern der letzten Jahre, so erspart die RCA durch ihre Aktivitäten der Gesellschaft Schäden von rund 700 Mio. € jährlich. Dies wird ihr aber nicht abgegolten. Im Gegenteil: Die Güterverkehrstochter der ÖBB, die RCA, muss für jeden Kilometer Schienenmaut zahlen, der LKW nur im hochrangigen Straßennetz.
  3. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten müssen verbessert werden. Speziell auf der Straße herrschen Wildwest-Methoden und weitgehende Rechtlosigkeit. Unsere Umfragen haben ergeben, dass osteuropäische FahrerInnen bei einer 60 Stundenwoche einen Bruttolohn von 600 € bekommen. Mehr als 90 % der LKW halten auf Österreichs Autobahnen nicht das Tempolimit ein. Beim Gotthardpass in der Schweiz befindet sich das größte Kontrollzentrum Europas. Aber auch dort kann nur jeder 20. LKW kontrolliert werden. Von diesen gibt es bei der Hälfte der Fälle Beanstandungen. Frächter, die sich an Gesetze und soziale Normen halten, haben also einen Wettbewerbsnachteil; detto die Bahn. In der Folge geraten auch bei der Bahn die Sozialstandards zunehmend unter Druck.
  4. Ausflaggen: Was wir früher nur aus der Schifffahrt kannten, ist jetzt auch beim LKW-Verkehr gang und gebe. Mehr als die Hälfte der österreichischen Frächter haben ausgeflaggt, um Kosten zu sparen: Ungarischer Fahrer mit tschechischen Arbeitsvertrag von zypriotischer Firma mit österreichischem Besitzer. Stellt sich die Frage: Wer kontrolliert hier die Einhaltung von Gesetzen, die rechtmäßige Anmeldung bei der Sozialversicherung, die korrekte Bezahlung nach Kollektivvertrag usw.?
  5. Fairer Wettbewerb statt Bahnliberalisierung: Kernproblem ist das Versäumnis der EU-Verkehrspolitik, den Wettbewerb zwischen Straße und Schiene fairer zu gestalten. Stattdessen setzt die Europäische Kommission auf verschärften Wettbewerb auf der Schiene und schwächt damit den Bahnsektor. So hat die Liberalisierung bei den lukrativen Ganzzügen zu einem Preisverfall geführt. Zieht sich die RCA allerdings aus der Fläche zurück, so harren keine Mitbewerber in den Startlöchern. Dann geht dieser Verkehr schlicht und einfach auf die Straße. Aktueller nächster Liberalisierungsschritt ist das gerade diskutierte 4. Eisenbahnpaket (hier und hier). Gleichzeitig plant die Kommission die Ausweitung der Zulassung von Gigalinern. Diese 25,25 Meter langen und bis zu 60 Tonnen schwere Riesen-LKW sind prädestiniert für sperrige und schwere Güter über lange Distanzen und stellen damit eine direkte Konkurrenz zur Bahn dar. Im Gegensatz zur Bahn bedeuten Gigaliner auf der Straße allerdings erhöhte Unfallgefahr, mehr Umweltverschmutzung, teure Anpassungen der Straßeninfrastruktur usw. – alles Kostenfaktoren, die wieder zu Lasten der Allgemeinheit gehen werden.

Fazit: Die Probleme der Güterbahn können nicht auf der Schiene, sondern müssen auf der Straße gelöst werden.