Finanzausgleich – Aufgabenorientierung kann öffentliche Leistungen stärken

17. November 2015

Im Laufe seiner 70-jährigen Geschichte ist der Finanzausgleich (FAG) zu einer der komplexesten Materien im Bereich der öffentlichen Haushalte avanciert. Reformen, die die Finanzbeziehungen zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften vereinfachen und transparenter gestalten, sollten daher im Mittelpunkt der Verhandlungen für ein neues Finanzausgleichsgesetz stehen. Die unter FinanzwissenschafterInnen bereits seit einiger Zeit diskutierte Aufgabenorientierung ist hierfür ein geeignetes Instrument, da dadurch Finanzflüsse an die Erfüllung öffentlicher Aufgaben bzw. Erbringung öffentlicher Leistungen gebunden werden.

Abgabeneinhebung – Steuerverbund- oder Trennsystem?

Die Abgabeneinhebung im österreichischen Föderalstaat wird vom Prinzip des Steuerverbundes dominiert, indem die überwiegende Anzahl (86 Prozent) sogenannte gemeinschaftliche Bundesabgaben darstellen, deren Erträge nicht nur dem Bund, sondern auch Ländern und Gemeinden zu Gute kommen. Die Vorteile von Steuerverbundsystemen liegen in einem geringeren Verwaltungsaufwand, besseren Möglichkeiten für einen Ausgleich zwischen den Regionen sowie besseren Koordinationsmöglichkeiten um externe Effekte (bspw. werden infrastrukturelle Angebote größerer Gemeinden, wie etwa Schulen oder Krankenhäuser, meist auch von BürgerInnen aus dem Umland genutzt, ohne dass ihre Heimatgemeinden diese Leistungen finanziell mittragen) zu vermeiden.

Im Jahr 2013 beläuft sich der Ertrag, der über den Finanzausgleich zu verteilenden Abgaben auf insgesamt über 87 Mrd Euro, wobei die bedeutendste Ebene für die Abgabeneinhebung die Bundesebene ist, auf der 94,5 Prozent der Abgaben eingehoben werden, während sich der Anteil der Länder auf 0,5 Prozent und jener der Gemeinden auf knapp 5 Prozent beläuft. Der Steuerverbund ist folglich in Österreich in einer Form ausgestaltet, in welcher der Bund für die Einhebung der gemeinschaftlichen Abgaben verantwortlich ist. Dem Prinzip des Trennsystems, in dem jede Gebietskörperschaft die Finanzierung ihrer Leistungen durch eigenes Abgabenaufkommen bestreitet, entsprechen daher nur 14 Prozent der Gesamtabgaben, bestehend aus den ausschließlichen Bundesabgaben, den Landesabgaben sowie den Gemeindeabgaben. Die Vorteile von Trennsystemen werden in der Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung gesehen.  Dies bleibt jedoch in erster Linie ein theoretisches Argument, da angesichts der zunehmenden Digitalisierung der Datenverarbeitung in der Abgabenverwaltung, die Einhebung der Abgaben durch unterschiedliche Gebietskörperschaften vor allem einen Mehraufwand an Verwaltungsressourcen bedeuten, jedoch keine Verbesserungen für die BürgerInnen mit sich bringt.

Die Verteilung der Abgabenerträge ist aufgrund der nachrangigen Rolle der subnationalen Gebietskörperschaften bei der Abgabeneinhebung ein wesentlicher Faktor für die Finanzierung der von Ländern und Gemeinden verantworteten Aufgaben – wie etwa Gesundheit, Wohnen oder Pflege. Ein Blick auf die Einnahmenstruktur zeigt, dass die Länder ihr Abgabenaufkommen zu über drei Viertel aus Ertragsanteilen aus den gemeinschaftlichen Bundesabgaben oder Transfereinnahmen lukrieren. Für die Gemeinden liegt der Anteil mit 47 Prozent ebenfalls hoch, allerdings erwirtschaften sie knapp ein Viertel des Aufkommens über Gebühren für gemeindeeigene Leistungen und etwa ein Fünftel wird aus eigenen Steuereinnahmen, wie der Kommunalsteuer oder der Grundsteuer, generiert.

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: Gebarungsübersichten des BMF, eigene Darstellung. © A&W Blog
Quelle: Gebarungsübersichten des BMF, eigene Darstellung.

Finanzausgleich – viele Kriterien, aber wenig Bezug zu öffentlichen Aufgaben

Angesichts der zentralen finanziellen Bedeutung der Verteilung von Ertragsanteilen und Transfers auf Länder und Gemeinden lohnt ein Blick auf die Kriterien, die determinieren wie die Gelder auf die jeweiligen Gebietskörperschaften aufgeteilt werden. Im aktuellen Finanzausgleich kommen die verschiedensten Verteilungskriterien zum Tragen, jedoch weisen sie nur wenig Bezug zur Erbringung öffentlicher Leistungen durch die Gebietskörperschaften auf. Grundsätzlich erfolgt die Verteilung der Ertragsanteile aus den gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach festgelegten Schlüsseln, wobei sich die Anteile seit dem Jahr 2011 in der Regel jeweils auf 67,4 Prozent (Bund), 20,7 Prozent (Länder) und 11,9 Prozent (Gemeinden) belaufen.

Wie viel der Ertragsanteile welches Bundesland erhält, wird überwiegend durch die jeweilige EinwohnerInnenzahl (66,6 Prozent) bestimmt, zudem sind diverse Fixschlüssel (33,3 Prozent) relevant und ein sehr kleiner Teil (0,1 Prozent) ist abhängig vom ländereigenen Abgabenaufkommen. Die Fixschlüssel setzen sich aus ehemals zweckgebundenen Zuschüssen (u.a. Zuschuss zur Finanzierung von Straßen, Investitionsbeitrag für Wohnbau) sowie aus früheren Verteilungen nach dem örtlichen Aufkommen zusammen.

Neben den Ertragsanteilen beziehen die Länder Transferzahlungen vom Bund zur Finanzierung bestimmter Leistungen, wobei der überwiegende Anteil aus Kostenersätzen für LandeslehrerInnen besteht. Weitere wichtige Bereiche sind die Pflege (Zuschuss zum Pflegefonds) sowie Gesundheit (Zuschuss zur Krankenanstaltenfinanzierung). Ein weiterer Teil der Transfereinnahmen der Bundesländer kommt von den Gemeinden, die nach jeweiliger Finanzkraftstärke verschiedene Umlagen (Landesumlage, Krankenanstaltenumlage bzw. Sozialhilfeumlage) an das Land abliefern müssen. Die Finanzströme zur Finanzierung der Bundesländer hängen damit primär von Faktoren ab, die die Länder selbst nur wenig steuern können, wodurch sie ihr Leistungsangebot an die jeweilige Finanzierungssituation anpassen müssen.

Die Verteilung der Ertragsanteile auf die Gemeinden verläuft in zwei Stufen. Zunächst werden 9 Bundesländertöpfe gebildet, aus denen die Gemeinden des jeweiligen Bundeslandes ihre Gelder beziehen. Deren Höhe wird zu knapp drei Viertel durch den abgestuften Bevölkerungsschlüssel bestimmt, der Gemeinden mit höherer EinwohnerInnenzahl für die zwangsläufige Übernahme zentralörtlicher Funktionen kompensiert. Weitere 12,5 Prozent machen die Bedarfszuweisungen (u.a. zum Haushaltsausgleich der Gemeinden) aus. Die restlichen Anteile sind durch Fixschlüssel sowie der Finanzkraft der Gemeinden determiniert.

Ebenso wie die Bundesländer erhalten auch die Gemeinden – wenngleich quantitativ nur etwa ein Zwanzigstel der Summe, welche die Länder bekommen -Transfers vom Bund. Der wichtigste Transfer dient der Finanzkraftstärkung, von dem vor allem kleinere Gemeinden profitieren, weiters relevant sind die Finanzzuweisung für den Nahverkehr sowie der Beitrag zum Katastrophenfonds. Neben den Bundestransfers erhalten die Gemeinden Bedarfszuweisungen durch die Bundesländer selbst. Dabei sind sie jedoch auf den politischen Willen der jeweiligen Länder angewiesen, da festdefinierte Kriterien weitgehend fehlen.

Aufgrund ihrer Stellung als Träger der Sozialen Daseinsvorsorge besteht knapp ein Viertel der Einnahmen der Gemeinden aus Gebühren bzw. Leistungsentgelten. Damit kommt den Gemeinden in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben eine zentrale Stellung zu. Zudem tragen die Gebühren und Entgelte gemeinsam mit den eigenen Steuern zu einer größeren Flexibilität auf der Einnahmenseite bei.

Aufgabenorientierung als Pilotprojekt im Bildungsbereich?

Während das Steuerverbundsystem eine effiziente Form der Abgabeneinhebung darstellt, müssen die Kriterien zur Abgabenverteilung verbessert werden. Unter dem Stichwort „Aufgabenorientierter Finanzausgleich“ wird daher in ExpertInnenkreisen bereits seit längerem über mögliche Verbesserungen der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden diskutiert. Aufgabenorientierung im Finanzausgleich bedeutet die Geldflüsse zwischen den Gebietskörperschaften verstärkt an Leistungskriterien zu binden, anstatt sie von Verhandlungsergebnissen oder zum überwiegenden Anteil von der Bevölkerungszahl abhängig zu machen.

Eine Gesamtreform erscheint aufgrund der Komplexität der Finanzströme jedoch schwierig, zudem würde eine schrittweise Einführung Möglichkeiten für Evaluierungs- und Nachschärfungsprozesse bieten. Die Elementare Bildung wurde in den vergangen Jahren stark ausgebaut, wodurch sich die laufenden Kosten für die Gemeinden erhöht haben. Um die Finanzierung dieser Kosten abzusichern, eignet sich die Aufgabenorientierung als leistungsbezogenes System von Kriterien. Umgekehrt eignet sich der Bereich der Elementaren Bildung gut für einen Einstieg in eine aufgabenorientierte Finanzierung, da die Zuständigkeit für die Bereitstellung der Leistung bei den Gemeinden und damit klar bei einer Gebietskörperschaft liegt.

Eine Studie des Zentrums für Verwaltungsforschung zeigt diesbezüglich Wege zur möglichen Umsetzung eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs für die Elementare Bildung. Darin wurden Modelle entwickelt, wie ihre Finanzierung an Hand von Leistungskriterien aussehen kann. Die Gemeinden sollen Zuschüsse für jedes betreute Kind erhalten. Zusätzlich soll die Qualität dieses Platzes in der Elementarbildung mittels verschiedener Indikatoren Berücksichtigung finden. Folgende Leistungskriterien wurden dabei in fünf unterschiedlichen Modellen vorgeschlagen: Kindesalter (0-2 Jahre, 3-5 Jahre), Öffnungszeiten (Betreuungsstunden), Schließtage sowie die Anzahl an Kindern mit nicht-deutscher Erstsprache als Beispiel für soziale Indikatoren (Betreuungsintensivität). Anhand dieser Kriterien wird die Höhe der Gelder berechnet, welche die Gemeinden als Träger der Kindergärten erhalten.