EZB bestätigt Pikettys These von der enormen Vermögenskonzentration

13. Juni 2014

Thomas Piketty legt in seinem bahnbrechenden Werk Capital in the 21st Century das bislang umfassendste Datenmaterial zur Entwicklung von Bestand und Verteilung des Vermögens in einer langfristigen Perspektive auf Basis von Vermögenssteuerdaten vor. Erhebungen wie der Household Finance and Consumption Survey (HFCS) unterschätzen das Vermögen der Allerreichsten beträchtlich. In der jüngsten Studie der Universität Linz zur Vermögenskonzentration in Österreich wurde für diese Unterschätzung korrigiert. Nun werden diese Ergebnisse durch Berechnungen der EZB bestätigt: Das reichste Prozent der Haushalte verfügt in Österreich demnach sogar über bis zu 41% des Gesamtvermögens.

Verlässlichste Vermögensdaten: Steuerdaten in Frankreich

Thomas Piketty stützt seine umfangreiche Untersuchung der historischen Vermögensdynamik auf Steuerdaten. Für Frankreich ist die Datenlage besonders günstig: Mit der französischen Revolution wurde 1791 eine Erbschafts- und Schenkungssteuer und ein Vermögensregister eingeführt, was detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen dieser zentralen ökonomischen Fragestellungen ermöglicht. Dabei zeigt sich, dass das private Vermögen bis 1910 etwa sieben Mal so groß war wie das jährliche Volkseinkommen, im 20. Jahrhundert verringerte sich die Relation auch aufgrund der Kriege auf etwa 3:1, um seit der neoliberalen Wende wieder auf etwa 5:1 zu steigen. Der Anteil der reichsten Zehntels am Gesamtvermögen kulminierte in Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei nahezu 90%, jener des reichsten Prozents bei 60%, um nach den Kriegen und im Zuge des Ausbaus des Wohlfahrtsstaates auf etwa 60% bzw. 25% zurückzugehen.

Für Großbritannien, Schweden und die USA erstellte Piketty auf Basis bestehender Daten Schätzungen für die Entwicklung der Vermögen seit dem frühen 19. Jahrhundert, die grosso modo ein ähnliches Bild wie jenes Frankreichs zeigen.

Aufgrund seiner intimen Kenntnis der Daten vertraut Piketty auf Steuerdaten und zeigt sich – etwa in seiner vernichtenden Antwort auf die inhaltlich überraschend schwach vorgetragenen Angriffe der Financial Times – skeptisch in Bezug auf Umfrageergebnisse. Dies vor allem weil die allerreichsten Bevölkerungsgruppen und ihr rasch steigender Vermögensbestand in Befragungen nicht ausreichend erfasst werden.

HFCS liefert erstmals Vermögensdaten für Österreich

Deshalb sucht man Daten zu Österreich in Pikettys grandiosem Buch leider vergeblich. Die fehlende Besteuerung von Vermögen erlaubt keine verlässliche Datengrundlage. Nun liegen mit dem Household Finance and Consumption Survey (HFCS) des Europäischen Zentralbankensystems für das Jahr 2010 erstmals Daten zu Bestand und Verteilung des Vermögens privater Haushalte vor. Selten wurden mit so hohem wissenschaftlichen Aufwand durchgeführt und so penibel auf die Befragungsqualität geachtet. Aber die Pikettysche Kritik bleibt zu Recht bestehen: Beim HFCS handelt sich um Erhebungsdaten, die die Spitze der Verteilung nicht ausreichend erfassen und die Vermögenskonzentration verharmlosen.

Dies zeigt sich etwa daran, dass der reichste Haushalt im HFCS in Österreich über ein Vermögen von nur 15 Millionen Euro verfügt, ein Vermögen mit dem er es bei weitem nicht in die Liste der reichsten Hundert des Trend Vermögensreports schaffen würde. Laut HFCS besitzt das reichste Prozent der Haushalte 23% des gesamten (Netto-) Vermögens. Die obersten fünf Prozent, das sind alle Haushalte mit einem Nettovermögen von mehr als einer Million Euro, verfügen über 45%.

Neue EZB-Ergebnisse bestätigen Linzer Studie und Piketty These

Auf Basis der HFCS-Daten haben mehrere ForscherInnengruppen versucht, die Spitze der Verteilung besser abzuschätzen. Die Studie der Universität Linz hatte dabei besonderen Neuigkeitswert. Sie errechnet für das reichste Prozent der Haushalte in Österreich einen Anteil von 37% am Gesamtvermögen (469 Milliarden Euro von insgesamt 1.250 Milliarden Euro), für die reichsten fünf Prozent einen von 58%.

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: eigene Zusammenstellung. © A&W Blog
Quelle: eigene Zusammenstellung.

Nun liegt aber erstmals eine Berechnung aus der Europäischen Zentralbank selbst vor: Unter Verwendung der gleichen Methoden wie die Linzer Gruppe werden deren Ergebnisse bestätigt. Je nach Spezifikation entfällt auf das reichste Prozent der Haushalte in Österreich zwischen 30% und 41%. Das durchschnittliche Vermögen beträgt in dieser schmalen Schicht der Bevölkerung etwa drei Millionen Euro. Der Anteil der obersten fünf Prozent – also der Millionärshaushalte – liegt zwischen 52% und 59%.

Vermögenssteuer: Positiv für Gesellschaft, Demokratie und Datengrundlagen

Auf Basis dieser verschiedenen Untersuchungen wird nun klar, dass große Vermögen auf einen ganz kleinen Teil der Bevölkerung entfallen. Eine Millionärssteuer zielt auf etwa 190.000 Haushalte, das ist ein Zwanzigstel aller Haushalte. Aufgrund der enormen Konzentration des Vermögens sind selbst Steuern, die nur diese ganz schmale Schicht der Bevölkerung treffen, mit einem Milliardenaufkommen verbunden. Die Studie der Universität Linz kommt je nach gewähltem Freibetrag, Steuersätzen und Intensität von Ausweichreaktionen zu einem Steueraufkommen zwischen 1,6 und 8,5 Milliarden Euro.

Die wichtigsten Beweggründe für die merkbare Besteuerung von Vermögen liegen in der Vorstellung von Fairness in der Verteilung, einem Steueraufkommen, das für eine Entlastung der Leistungseinkommen aus Arbeit und den Ausbau sozialer Dienstleistungen verwendet werden kann, und dem politische Anliegen der Verhinderung übergroßen Einflusses der Superreichen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie. Ein nicht zu vernachlässigender Nebeneffekt kommt hinzu: Zusammen mit einer besseren internationalen Kooperation und einem automatischen Austausch von Bankinformationen würde eine allgemeine Vermögenssteuer endlich Daten über Bestand und Verteilung von Vermögen liefern, die sich nicht mehr nur auf Erhebungen stützen.