EU-Prognose: Wirtschaftspolitischer Kurswechsel gefragt

27. Februar 2013

Die am 22.2. veröffentliche Wirtschaftsprognose der EU-Kommission zeigt, dass die europäische Wirtschaftspolitik fehlgeleitet ist. Sie führt lediglich zu neuen Arbeitslosenrekorden und einer neuerlich schrumpfenden Wirtschaft bei wachsenden Divergenzen in der Eurozone. Die Folge ist ein rascherer Anstieg der Staatsverschuldungsquoten – trotz oder vielmehr gerade wegen der verantwortungslosen Sparpolitik.

Es stellt sich ein Déjà-vu-Erlebnis ein: Wie bereits im Vorjahr wurde das erwartete Ergebnis für das abgelaufene Jahr nicht erreicht und die Prognose für das laufende Jahr nach unten revidiert. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit wurde ebenfalls massiv unterschätzt. Dafür wurde wieder einmal ein Aufschwung für das kommende Jahr vorausgesagt. Konkret wird für die Eurozone für 2013 ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um real 0,3 % und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 12,2 % prognostiziert. Glaubt man den Beschwichtigungen von EU-Kommission und EZB, so würde diesmal spätestens im kommenden Jahr die Arbeitslosigkeit wieder sinken, wenn die spar- und wettbewerbsorientierten Reformen durchgezogen werden.

Für 2012 prognostizierte Arbeitslosigkeit in der Eurozone (in Millionen) © A&W Blog
Datenquelle: EU-Kommission (AMECO-Datenbank). © A&W Blog
Datenquelle: EU-Kommission (AMECO-Datenbank).

Obwohl die Regierungen in Italien, Spanien, Griechenland und Portugal genau diese „Reformen“ durchgezogen haben, sind sie heute mit einer zusammen um 2,2 % geschrumpften Wirtschaft, höherer Staatsverschuldung und mit 1,9 Millionen Arbeitslosen mehr als im Vorjahr konfrontiert. Dennoch zieht Kommissionsvizepräsident Olli Rehn diese Schlussfolgerung: „Wir müssen den Reformkurs halten und dürfen nicht zulassen, dass er an Dynamik verliert, denn dies könnte den derzeitigen Vertrauensumschwung untergraben, so dass sich der nötige Wirtschafts- und Beschäftigungsaufschwung verzögern würde.

Dabei haben die Entwicklungen in jüngster Vergangenheit – ebenso wie die Kritik von führenden WirtschaftswissenschafterInnen wie Paul de Grauwe oder Paul Krugman – gezeigt, dass die „Reformkurs-halten-Taktik“ kontraproduktiv ist.

Das Beispiel Spanien ist besonders anschaulich: Die dort im Frühjahr 2012 umgesetzte Arbeitsmarktreform brachte zwar einen massiven Abbau von Arbeitsmarktstandards, führte aber weder zu einer Erholung der Beschäftigung noch zur erhofften relativen Steigerung der unbefristeten Arbeitsverträge. Im Gegenteil: Ende 2012 erreichte die Arbeitslosenrate mit über 26 % einen neuen Rekordwert, nachdem sich ihr Anstieg nach der Reform sogar noch beschleunigte hatte. Mehrere Konsolidierungspakete verschärften die Rezession, die – neben Bankenhilfen und höheren Zinsaufschlägen – das Defizit sogar auf über 10 % des BIP steigen ließ. Gemäß den im Juli 2012 revidierten europäischen Vorgaben hätte das Defizit aber auf unter 6,3 % des BIP gedrückt werden sollen. Damit rücken auch die Vorgaben für 2013 und 2014 außer Reichweite: Gemäß aktueller Prognose für 2014 würde das spanische Defizit 7,2 statt 3 % des BIP betragen. Über 40 Milliarden Euro ohne Rückwirkungen auf Beschäftigung und Wirtschaftsleistung einzusparen, ist schlichtweg nicht möglich. Die Folge wäre zudem ein noch stärkerer Anstieg der Staatsschuldenquote, die durch den Beschäftigungs- und Wirtschaftseinbruch bereits jetzt auf über 88 % des BIP angestiegen ist (nach 36 % 2007 bzw. vor der exzessiven Sparpolitik Ende 2010 für 2012 noch prognostizierten 73 %).

Wenn bei Einhaltung der Therapie der Patient immer kränker wird, wäre es an der Zeit die Therapie zu überdenken. In einer solchen Lage den Kurs zu halten, wie es Olli Rehn fordert, ist keine Vertrauen schaffende Politik. Wie ein mittelalterlicher Bader lässt die Kommission die Patienten weiter zur Ader. Dabei kann nur ein Kurswechsel die ökonomischen Probleme lösen, allen voran die in Europa grassierende Massenarbeitslosigkeit. Sinkende Arbeitslosenraten führen nicht nur zu geringeren Ausgaben für Arbeitslosengelder und Bankenhilfen (durch eine geringere Kreditausfallswahrscheinlichkeit) sowie höheren Steuereinnahmen, sondern entschärfen vor allem auch individuelle und gesellschaftliche Probleme.

Es braucht deshalb wirtschaftspolitische Impulse mittels Beschäftigungs- und Investitionsprogramme in Bereichen wie den öffentlichen sozialen Dienstleistungen oder der Ökologisierung der Wirtschaft (einige Vorschläge hierfür liegen bereits vor: AK-Stellungnahme zur Reform der Eurozone, EU-Marshallplan des DGB, IMK Report „Quo vadis Krise?“ oder WWWforEurope) anstatt einer weiteren Verschärfung der Spar- und Wettbewerbsorientierung.