Erbschaften in Österreich: Wer viel verdient, bekommt am meisten

09. Mai 2016

Private Vermögen sind weitaus ungleicher verteilt als verfügbare Haushaltseinkommen. Dies zeigt sich darin, dass sehr wenige Menschen sehr viel Nettovermögen (Vermögenswerte minus Verbindlichkeiten) besitzen. Welche Rolle spielen Erbschaften und Schenkungen (Vermögenstransfers) für die Vermögensposition der Haushalte und für die Vermögensungleichheit im Euroraum?

Bis 2010 hatten 35,7 Prozent der österreichischen Haushalte geerbt oder eine Schenkung erhalten. In den Euroländern Belgien, Frankreich, Griechenland, Portugal, Spanien, Zypern und Westdeutschland (für Ostdeutschland fehlen verlässliche Zahlen von vor der Widervereinigung) waren es zwischen 27 und 40 Prozent wie nachfolgende Abbildung zeigt.

Anteil der Haushalte mit einem Vermögenstransfer

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Bemerkung: Nur Erbschaften und Schenkungen von außerhalb des Haushalts.
Quelle: Household Finance and Consumption Survey, Europäische Zentralbank, eigene Berechnungen

Erwartungsgemäß steigt der Anteil der Haushalte, die bereits beerbt oder beschenkt wurden, mit dem Alter. Allerdings können neben diesen Lebenszykluseffekten auch Kohorteneffekte beobachtet werden: Einerseits berichten in Österreich die Altersklassen 55 bis 64 Jahre höhere Anteile von Erbschaften oder Schenkungen als die jüngeren, da aufgrund des Lebenszyklus ihre älteren Verwandten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit bereits verstorben sind. Andererseits werden in den Altersklassen über 65 Jahre leicht sinkende Anteile beobachtet. Die älteren Verwandten dieser Kohorte, von denen die meisten bereits gestorben sein dürften, waren vermutlich, auch wegen beider Weltkriege, ärmer und hatten weniger Vermögen zu vererben.

Der Gegenwartswert der erhaltenen Erbschaften und Schenkungen lag durchschnittlich zwischen 85.000 Euro und 275.000 Euro je nach Land. Haushalte in Österreich verzeichneten 230.000 Euro. Für alle Länder gilt, dass der Median deutlich geringer als der Durchschnitt ausfällt, was auf eine hohe Ungleichheit der empfangenen Transfers hinweist. Der typische Erbschaftsfall beim Tod des Partners/der Partnerin ist bei diesen Zahlen allerdings nicht mit einbezogen, da nur Transfers, die von außerhalb eines Haushaltes kamen, betrachtet werden. Zudem werden die Haushalte am oberen Rand, also die mit den richtig großen Vermögen und Erbschaften, in den Daten quasi nicht beobachtet. Damit wird das tatsächliche Erbvolumen deutlich unterschätzt.

Die Gründe für die Unterschiede zwischen den europäischen Ländern sind vielfältig. Zum einen sind die Vermögenshöhen in den Ländern sehr unterschiedlich, was auch an den unterschiedlichen Portfolios liegt. Zum Beispiel ist in Österreich der Immobilienbesitz weniger verbreitet als in den Mittelmeerländern. Immobilen werden allerdings häufig erst nach dem Tod an die nächste Generation weitergeben, wohingegen Finanzvermögen zum Teil schon vorab übertragen wird. Ein weiterer Punkt ist, dass die Geburtenraten und die Haushaltsstrukturen in den jeweiligen Ländern unterschiedlich sind. In Frankreich zum Beispiel sind die Geburtenraten deutlich höher als in Österreich. Die Vermögen müssen dann natürlich auf mehr Köpfe verteilt werden.

Höhe der Vermögenstransfers pro Haushalt

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Bemerkung: Nur Erbschaften und Schenkungen von außerhalb des Haushalts. Nur Empfängerhaushalte. In Preisen von 2010, kapitalisiert mit r = 3%, gedeckelt bei 100% des Nettovermögens der Haushalte.
Quelle: Household Finance and Consumption Survey, Europäische Zentralbank, eigene Berechnungen

In Österreich liegt der maximale Gegenwartswert erhaltener Erbschaften und Schenkungen in der Altersklasse 45 bis 54 Jahre bei 285.000 Euro – wie auch in Deutschland spielen Schenkungen in den jüngeren Altersklassen dabei eine bedeutende Rolle. Insgesamt weisen Österreich, Griechenland, Westdeutschland und Zypern einen umgekehrt U-förmigen Verlauf über den Lebenszyklus auf. Das bedeutet, dass die Kohorten der mittleren Altersklassen dieser Länder sowohl häufiger erbten oder beschenkt wurden als auch höhere Vermögenstransfers erwarten konnten. In dieser deskriptiven Betrachtungsweise dominiert der Kohorteneffekt folglich den Lebenszykluseffekt.

Einkommensstarke Haushalte erben häufiger und mehr

In den kerneuropäischen Ländern Österreich, Belgien, Frankreich und Westdeutschland steigt mit zunehmendem Haushaltsbruttoeinkommen auch die Wahrscheinlichkeit, eine Erbschaft oder Schenkung erhalten zu haben. In Österreich haben Haushalte des fünften Quintils, also die einkommensstärksten 20 Prozent, fast doppelt so häufig einen Vermögenstransfer erhalten wie Haushalte des untersten Quintils (26,2 vs. 50,3 Prozent). Die Länder Kerneuropas weisen offenbar eine geringe Bildungs- und Einkommensmobilität auf. Das heißt, Bildung, Einkommen und sozialer Status von Personen unterscheidet sich kaum zu dem ihrer Eltern. Wenn der ökonomische Erfolg an die vorherige Generation gekoppelt ist, verstärken Erbschaften und Schenkungen die ohnehin schon bestehende ökonomische Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung. In den Mittelmeerländern Griechenland, Portugal, Spanien und Zypern, zeigen sich hingegen nur geringe Unterschiede nach Einkommensgruppen. Das erklärt sich auch durch den steigenden Anteil von sekundären und tertiären Bildungsabschlüssen ab den 1960er Jahren. Dies hat die Bildungsmobilität für die aktuelle Generation der ErbInnen verbessert.

Betrachtet man die Gegenwartswerte, also die Höhe der Erbschaften und Schenkungen, von allen Haushalten, die bereits einen Vermögenstransfer erhielten, ist dieser im obersten Einkommensquintil am höchsten – in Österreich sind das 361.000 Euro. Dies gilt diesmal auch für die Mittelmeerländer wie nachfolgende Tabelle zeigt.

Höhe der Vermögenstransfers pro Haushalt nach Einkommensquintilen in 1.000 Euro

Kerneuropäische Länder

Mittelmeerländer

Österreich

BelgienFrankreichWestdeutschlandZypernGriechenlandPortugalSpanien

1. Quintil

119

11673971579850

98

2. Quintil

1401149513015411960

126

3. Quintil

205

1429515826615163

148

4. Quintil

226

17311319434416765

180

5. Quintil

361

208252304389226201

310

31% des Vermögens aus Erbschaften und Schenkungen

Mit Blick auf die relative Bedeutung intergenerationaler Transfers, also dem Anteil erhaltener Erbschaften und Schenkungen am aktuellen Haushaltsnettovermögen, finden sich zwei Ländergruppen mit unterschiedlichen Niveaus. In Österreich, Westdeutschland und Griechenland liegt der Anteil intergenerationalen Transfers am aktuellen Haushaltsnettovermögen bei etwa 31 Prozent. Weit niedrigere Anteile ergeben die Berechnungen für Belgien, Portugal, Spanien und Zypern, die zwischen 13 und 18 Prozent liegen. Betrachtet man nur die Empfängerhaushalte verdoppelt sich der Anteil bei diesen vier Ländern. In Österreich und Westdeutschland sind bei den Empfängerhaushalten um die 50 Prozent des aktuellen Haushaltsnettovermögens auf Erbschaften und Schenkungen zurückzuführen und in Griechenland über 78 Prozent.

Die relative Bedeutung vergangener Vermögenstransfers für das Haushaltnettovermögen steigt im Allgemeinen mit dem Alter, was besonders in Belgien, Frankreich, Portugal und Spanien zu beobachten ist. In Österreich, Griechenland, Westdeutschland und Zypern sind die Anteile der Transfers für einige der jüngeren Kohorten überraschend hoch. Dies ergibt sich auch aus den beobachteten Schenkungen sowie den hohen Gegenwartswerten der Vermögenstransfers bei gleichzeitig niedrigen Nettovermögen für junge Kohorten in Österreich und Westdeutschland.

Der Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe und der relativen Bedeutung von Erbschaften und Schenkungen ist weniger deutlich. Für die einkommensstärkste Gruppe in Österreich ist der Anteil der Vermögenstransfers am aktuellen Haushaltsnettovermögen um gut 12 Prozentpunkte niedriger im Vergleich zum einkommensschwächsten Quintilen. Das heißt, diese Haushalte erben sowohl häufiger als auch deutlich höhere Beträge und können aber gleichzeitig durch ihre höheren Einkommen Vermögen selbst ansparen. Damit sind die Transfers zwar höher, ihr Bedeutung für die Vermögensposition insgesamt aber geringer.

Erbschaften verfestigen ökonomische Ungleichheit

Einkommensstarke Haushalte haben in der Vergangenheit in den europäischen Ländern signifikant höhere Erbschaften und Schenkungen erhalten als einkommensschwächere Haushalte. Gleichzeitig sind für einkommensstarke Haushalte Vermögenstransfers für die aktuelle Vermögensposition weniger relevant. Durch ihre starke Einkommensposition und niedrige intergenerationale Mobilität sind diese Haushalte in der Lage, Vermögen sowohl aus ihren regelmäßigen Einkommen als auch durch Erbschaften und Schenkungen aufzubauen.

Erbschaften und Schenkungen können als Kanal angesehen werden, durch den bestehende Chancenungleichheit und die resultierende ökonomische Ungleichheit verstärkt werden. In Österreich gibt es jedoch seit August 2008 keine Steuern mehr auf Erbschaften und Schenkungen. Es wird lediglich eine Grunderwerbsteuer im einstelligen Bereich erhoben. Soll aber die soziale Herkunft ihre bestimmende Wirkung für die ökonomische Position an Bedeutung verlieren, müssen politische Instrumente gewählt werden, die die intergenerationale Mobilität fördern. Mit zusätzlichen Mitteln aus vermögensbezogenen Steuern, wie einer Erbschafts- und Schenkungssteuer, ließen sich Instrumente finanzieren, die die Chancengleichheit verbessern.

Dieser Beitrag beruht auf dem DIW-Wochenbericht Nr. 17/2016 sowie dem DIW Discussion Paper 1556. Die Forschungsarbeit wurde von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten (Pro-jektnummer: S-2012-610-4).