Equal Pay Day: Teilzeit und Gender Pay Gap

10. Oktober 2014

Im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zählt Österreich zu den Ländern mit den größten geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden. Betrachtet man die auf Bruttostundenverdienste standardisierten Löhne und Gehälter von Voll- und Teilzeitbeschäftigen in der Privatwirtschaft, dann lag der Gender Pay Gap in Österreich 2010 bei 24,0%. Dieser große Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern geht in Österreich gleichzeitig mit einer hohen Frauenerwerbsquote und einer hohen Teilzeitquote bei den Frauen einher. Teilzeitbeschäftigung von Frauen wird daher häufig als eine Ursache für den großen Gender Pay Gap angeführt.

Teilzeitbeschäftigte verdienen weniger

Auswertungen auf Basis der alle vier Jahre stattfindenden Verdienststrukturerhebung zum Thema Teilzeit im Auftrag des BMASK zeigen etwa, dass Teilzeitbeschäftigte im Mittel (Median) um 24,2% brutto pro Stunde weniger verdienen als Vollzeitbeschäftigte. Es gibt zwar Unterschiede zwischen Branchen und Berufen, die Bruttostundenverdienste von Teilzeitbeschäftigten liegen jedoch in allen Wirtschaftsabschnitten und Berufshauptgruppen deutlich unter jenen von Vollzeitbeschäftigten. Das gilt auch für die höchste abgeschlossene Ausbildung, selbst bei gleichem Ausbildungsniveau verdienen Teilzeitbeschäftigte weniger als Vollzeitbeschäftigte.
Die Frage, ob Frauen vor allem deshalb weniger verdienen, weil sie häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer, ist damit jedoch noch nicht beantwortet. Frauen verdienen auch in Vollzeitbeschäftigung brutto pro Stunde deutlich weniger als Männer. Der Abstand zwischen teilzeitbeschäftigten Frauen und Männern ist dagegen geringer.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Statistik Austria. Verdienststrukturerhebung (ohne Lehrlinge).

Unterschiede zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten sowie Frauen und Männern sind ebenso in Bezug auf Ausmaß und Struktur der Niedriglohnbeschäftigung zu beobachten. Während die Verdienste von insgesamt 15,1% der Beschäftigten unterhalb der Niedriglohnschwelle (2/3 des Medianlohns) liegen, verdienen 24,2% der Frauen, aber nur 8,7% der Männer weniger als 8,52 Euro brutto pro Stunde. Der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten ist bei den Frauen somit rund dreimal so hoch wie bei den Männern. Im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten ist das der größte Abstand zwischen den Geschlechtern in der gesamten Europäischen Union.

Bezogen auf die Form der Beschäftigung sind Frauen mit einem Normalarbeitsverhältnis – also kurz gesagt einer unbefristeten Vollzeitbeschäftigung – mit 18,3% auch deutlich stärker von Niedriglohnbeschäftigung betroffen als Männer mit 5,9%. Bei atypischen Beschäftigungsverhältnissen ist der geschlechtsspezifische Unterschied zwar geringer, insgesamt arbeiten atypisch Beschäftigte jedoch deutlich häufiger zu Verdiensten unterhalb der Niedriglohnschwelle. Bei den Teilzeitbeschäftigten zählen beispielsweise 24,4% der Frauen und 20,3% der Männer zu den Niedriglohnbeschäftigen. Am stärksten betroffen sind allerdings geringfügig beschäftigte Frauen mit 56,1% bzw. Männer mit 48,1%. Im stark männlich dominierten Bereich der Leih- und Zeitarbeitskräfte ist der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten dagegen geringer. Frauen sind mit 20,6% aber auch hier deutlich häufiger zu Niedriglöhnen beschäftigt als Männer mit 8,0%.

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Quelle: Statistik Austria. Verdienststrukturerhebung (ohne Lehrlinge). Niedriglohnschwelle: 2/3 des Medianlohns (= 8,52 € brutto/Stunde, ohne Verdienste für Mehr- und Überstunden).

Ein Blick auf die Struktur der unselbständig Beschäftigten zeigt, dass Frauen zudem wesentlich häufiger atypisch beschäftigt sind als Männer. Jede zweite Frau (50%), aber nur 15% der Männer zählen zu den atypisch Beschäftigten. Zugleich ist der österreichische Arbeitsmarkt durch eine starke geschlechtsspezifische Segregation nach Branchen und Berufen sowie großen Lohn- und Gehaltsunterschieden zwischen den Branchen gekennzeichnet. So arbeiten Frauen öfter in schlechter bezahlten Dienstleistungsberufen und in Branchen mit geringeren Verdienstmöglichkeiten, während Männer häufiger in besser bezahlten technischen Berufen und Führungspositionen zu finden sind.

Um den Einfluss unterschiedlicher Erklärungsfaktoren auf den Gender Pay Gap zu messen, wurde das Lohndifferenzial mit Hilfe einer Oaxaca-Blinder-Dekomposition in einen erklärten und einen unerklärten Teil zerlegt. Der erklärte Teil bezeichnet jenen Teil des geschlechtsspezifischen Lohnunterschiedes, der auf Unterschiede betreffend Branche, Berufsgruppe, Ausbildung, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Voll-/Teilzeit, Art des Arbeitsvertrags, Unternehmensgröße und Region zurückgeführt werden kann. Der unerklärte Teil ist dagegen jener Anteil, der nicht auf diesen Faktoren beruht.

Weniger als die Hälfte des Gender Pay Gaps kann statistisch erklärt werden

Die Ergebnisse zeigen, dass ausgehend von einem Gender Pay Gap von 24,0% im Jahr 2010 insgesamt 9,1 Prozentpunkte auf Unterschiede zwischen Frauen und Männern hinsichtlich der in die Analyse einbezogenen Merkmale zurückgeführt werden können. D.h. die Lohndifferenz wäre um diesen Anteil kleiner, wenn sich Frauen und Männer nicht bezüglich der beobachteten Merkmale unterscheiden würden. Der weitaus größere Anteil von 14,9 Prozentpunkten kann dagegen nicht durch die angeführten Einflussfaktoren erklärt werden. Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen somit vorhergehende Analysen, wonach in Österreich weniger als die Hälfte des gesamten Gender Pay Gaps auf beobachtbaren Unterschieden beruht.

Teilzeit nur einer von vielen Faktoren

Detailanalysen machen deutlich, dass Teilzeit mit 3,2 Prozentpunkten nur einer von vielen Faktoren ist, die zur Erklärung des Gender Pay Gap beitragen. Einen stärkeren Einfluss hat die geschlechtsspezifische Segregation nach Branchen. Unter der Annahme, dass alle anderen Faktoren im Modell stabil sind, erklärt die Branche 3,7 Prozentpunkte des geschlechtsspezifischen Lohnunterschiedes. Die unterschiedliche Verteilung nach Berufsgruppen erklärt 2,2 Prozentpunkte. D.h. rund ein Viertel des gesamten Gender Pay Gaps beruht alleine auf der geschlechtsspezifischen Segregation nach Branchen und Berufen. Einen messbaren Einfluss auf den Gender Pay Gap hat daneben die Dauer der Zugehörigkeit zum Unternehmen mit 2,4 Prozentpunkten, wobei hier ein deutlicher Zusammenhang mit dem Merkmal Alter besteht. Andere Faktoren, wie die Ausbildung, haben einen leicht negativen Beitrag. D.h. ginge es rein nur nach dem Ausbildungsniveau, müssten Frauen einen Gehaltsvorsprung gegenüber Männern haben. Keinen wesentlichen Einfluss haben die Merkmale Unternehmensgröße und Region. 

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Quelle: Statistik Austria. Verdienststrukturerhebung 2010.

Generell ist die Bereinigung um beobachtbare Faktoren allerdings eine rein rechnerische, da Unterschiede zwischen Branchen und Berufen sowie weiteren Faktoren ausgeklammert werden, um die Entlohnung innerhalb eines Segments vergleichen zu können. Real bleiben diese Unterschiede und damit das Lohngefälle bestehen. Letztlich führen niedrigere Erwerbseinkommen sowie geringere Erwerbseinbindung auch zu niedrigeren Pensionen. Alleinlebende Frauen, Alleinerzieherinnen und alleinlebende Pensionistinnen zählen auch zu den besonders armutsgefährdeten Personengruppen.

Dieser Blog-Beitrag basiert auf einem Vortrag im Rahmen des ExpertInnen-Workshops „Teilzeit und Gender Pay Gap“ veranstaltet von der AK-Wien sowie der deutlich umfassenderen Studie Geschlechtsspezifische Verdienstunterschiede.

Weitere Informationen zum Bereich Gender-Statistik finden Sie auf der Website von Statistik Austria.