Die schwindende Kaufkraft

04. Februar 2014

Jedes Jahr im Jänner wird von Statistik Austria die jährliche durchschnittliche Inflationsrate des Vorjahres veröffentlicht. 2013 haben sich die Preise der im Warenkorb befindlichen Güter und Dienstleistungen gegenüber 2012 demnach um durchschnittlich 2,0 % erhöht – um fast 0,4 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Geht man zeitlich noch weiter zurück, so findet man weitaus höhere Werte,  z. B. eine Inflationsrate von 8,5 % im Jahr 1975. Auch wenn man mit dem Preisniveauanstieg 2013 durchaus zufrieden sein kann, sollte man die zT weit höheren Preissteigerungen einzelner Indexpositionen nicht aus den Augen verlieren; sie sind wirtschafts- und sozialpolitisch äußert unerwünscht. Prominentes Beispiel: der permanente Anstieg des Mietaufwandes. Wirtschaftspolitische Problemlösungsansätze stellen massives Forcieren von Bauinvestitionen bzw. eine Steuerreform dar.

Wann ist die Inflation zu hoch?

Während es unumstritten sein dürfte, dass Preissteigerungen wie 1975 als Auswirkung des sog. „1. Erdölschocks“ zu hoch sind, gibt es für die wünschenswerte Preisstabilität alleine auf europäischer Ebene zwei Kriterien. Erstens die Zielvorgabe der Europäischen Zentralbank, die Inflation „auf mittlere Sicht unter, aber nahe 2 %“ zu halten. Diesbezüglich kann man also durchaus zufrieden sein mit dem derzeitigen Inflationsniveau in Österreich. Zweitens das vor der Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion definierte Maastricht-Inflationskriterium, demnach die nationale Inflationsrate maximal 1,5 Prozentpunkte über derjenigen der drei preisstabilsten EU-Staaten liegen darf. Strenggenommen hat Österreich dieses Kriterium nicht erfüllt. Zum Glück! Länder mit den niedrigsten Inflationsraten – Portugal (0,4 %), Bulgarien (0,4 %), Lettland  (0,0 %), Zypern (0,4 %), … und schließlich Griechenland (-0,9 %) – würden bei strikter Anwendung des Kriteriums zur Messlatte, und das Ziel hieße demnach Deflation. Dies wäre jedoch ein Zustand, der wohl von niemandem ernsthaft herbeigesehnt werden kann. Bei den obengenannten Ländern ist dies leider nur eine Fratze, die desaströse Austeritätspolitik mit sich bringt.

Preistreiber : Wohnung, Wasser und Energie

Wie eingangs erwähnt, ergibt sich die Inflationsrate aus der Entwicklung der Preise der im statistischen Warenkorb befindlichen Güter und Dienstleistungen. Insgesamt werden 791 Waren- und Dienstleistungspositionen auf ihre Preisveränderungen hin Monat für Monat beobachtet. Diese erstrecken sich auf 20 Städte und umfassen letztlich über 40.000 Einzelpreise. Die tatsächliche Gesamtpreisentwicklung wird dadurch sehr genau abgebildet. Folgend Tabelle zeigt die durchschnittlichen Preissteigerungen von 2012 auf 2013, und zwar auf der sogenannten Verbrauchsgruppenebene.

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: Statistik Austria © A&W Blog
Quelle: Statistik Austria

Über der Gesamtinflation liegende Steigerungen konnten in den letzten Jahren immer wieder bei den Nahrungsmitteln und beim Wohnen festgestellt. Die Problematik dabei liegt nicht so sehr – oder nicht nur – bei der prozentuellen Veränderung, sondern bei der Positionsgewichtung im Gesamtindex: Beide Positionen umfassen ca. 30 % der Gesamtausgaben eines Haushaltes. Oder mit anderen Worten: Waren- und Dienstleistungspositionen mit einem besonders hohen Gewicht wirken sich in Verbindung mit einer hohen relativen Veränderung der Preise auf die Gesamtinflation besonders stark aus.

Dekoratives Bild © A&W Blog
Datenquelle: Statistik Austria © A&W Blog
Datenquelle: Statistik Austria

Ärmere Haushalte 2013 stärker betroffen

Gemessen an ihren Gesamtausgaben geben ärmere Haushalte für Wohnen und Ernährung relativ mehr aus als reichere Haushalte. Daraus ergibt sich, dass ärmere Haushalte sehr stark von der Verteuerung der Lebensmittel bzw. des Wohnens betroffen sind; d. h., sie sind stärker von der Inflation betroffen als reichere Haushalte. Der Einfluss der Preisanstiege auf die Inflationsrate 2013 (2 %) in der Ausgabengruppe „Wohnung, Wasser, Energie“ betrug +0,45 Prozentpunkte. Dies wiegt umso schwerer, als man diesen Ausgaben  nicht entkommt; zumindest nicht kurzfristig.

Eine Reform des Mietrechts mit eindeutigen Mietzinsobergrenzen bei privaten Mieten ist daher ein Gebot der Stunde. Ebenso verstärkte Anstrengungen bei öffentlichen Wohnbauinvestitionen. Diese hätten nicht nur Beschäftigungseffekte, sondern auch budgetäre (Anstieg der u. a. direkten Steuern).

Untenstehende Grafik zeigt den Preisanstieg der VPI-Positionen Wohnen und Ernährung und die Gesamtinflation im mittelfristigen Jahresdurchschnitt. Deutlich zu erkennen ist der über der Inflation liegende Preisanstieg für Wohnen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: AK Wien © A&W Blog
Quelle: AK Wien

Kaufkraft schwindet

Die Bruttolohn- bzw. Bruttogehaltszuwächse pro Kopf für das Jahr 2013 werden vom Wirtschaftsforschungsinstitut mit 1,9 % prognostiziert, während die Inflation im selben Zeitraum um 2,0 % stieg. Der Pensionsanpassungsfaktor für 2013 beträgt 1,8 %. Damit wird die Kaufkraft der Pensionen und jene der Löhne und Gehälter voraussichtlich nicht steigen.

Fehlende Kaufkraftzuwächse wirken sich besonders negativ in einer Phase geringen wirtschaftlichen Wachstums aus, und zwar über die Stagnation oder den Rückgang des privaten Konsums. Die gesamten privaten Konsumausgaben betragen ca. 50 % des Bruttoinlandsproduktes. Kräftige Reallohnzuwächse setzten daher überaus wirksame Wachstumsimpulse, die nicht nur die Inlandsnachfrage erhöhen, sondern über höhere Steuereinnahmen (z. B. MWSt.) auch budgetentlastende Wirkungen zeigen.

Kaufkraftsteigerung durch Wohnbauinvestitionen und Steuerreform

Eine weitere wirtschaftspolitisch sinnvolle Maßnahme ist die (Wieder)-Einführung von Vermögenssteuern. Dadurch könnte – wiederum budgetentlastend – eine Einkommenssteuertarifkorrektur zugunsten niedriger Einkommen durchgeführt werden. Das Ergebnis wäre eine Kaufkrafterhöhung und damit verbunden eine hohe Konsumausgabenwirksamkeit: Haushalte mit niedrigerem Einkommen sparen wenig und konsumieren viel. Auch diese Maßnahme führt zum Anstieg des Aufkommens von Verbrauchssteuern.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Zurzeit sehen wir uns einem sehr niedrigen Inflationsniveau gegenüber. Allerdings müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die Mietkostenentwicklung bremst. Probates Mittel ist u. a. die verstärkte Investitionstätigkeit im Bausektor. Darüber hinaus bedarf es dringend eines Kaufkraftzuwachses über die Reform des Einkommensteuertarifs, die ihrerseits durch eine Einführung von Vermögenssteuern gegenfinanziert wird. Aber wie sagte doch unlängst der Finanzminister so einprägsam: „Ich bin ja nicht das Christkind“.