Das Internet als Propagandamittel der Rechten

04. Juli 2016

Längst ist das Internet zum Propagandamittel geworden, das die Rechten bewusst nutzen – auch mit gezielten Falschmeldungen. Sie gehören inzwischen zum Online-Alltag: Botschaften auf sozialen Medien, in denen über angebliche sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge auf Frauen geredet wird, von ihrem angeblichen Luxusleben – oder auch jene, in denen Flüchtlinge als Invasoren dargestellt werden. Dies geschieht oft auf sehr emotionale Weise, mit vielen Großbuchstaben und Rufzeichen versehen.

 

Ein Beispiel dazu, allerdings ohne Großschreibung:

„Meine Cousine erzählte mir heute, dass ihre Kollegin vorgestern aufgelöst auf die Arbeit kam. Der Grund: Ihre Freundin, die als Reinigungskraft in einem Flüchtlingsheim gearbeitet hatte, wurde vorgestern dort mehrfach vergewaltigt und getötet auf einem Klo gefunden!!!!!! Die Presse hat nicht mal einen Berichtigt darüber veröffentlicht, weil sie befürchtet, dass die leute ausrassten werden!!! Diese arme unschuldige Frau!!!! Ist sie denn gar nichts wert gewesen, nur weil sie Deutsche war?!?!?!?!“

Bewusst Falschmeldungen gestreut

Dieser Facebook-Kommentar ist einer Handreichung der deutschen Amadeu ­Antonio Stiftung entnommen. In Kooperation mit der Initiative „Netz gegen ­Nazis“ hat sie sich mit solchen Postings auseinandergesetzt und diese analysiert. Dabei stellte sich heraus: Bei der überwiegenden Mehrheit der Postings über angebliche Vergewaltigungen, sexualisierte oder sonstige Straftaten durch Asyl­suchende handelt es sich um Fälschungen. Sie werden von rechtsextremen Organisationen bewusst gestreut. Immer mehr Menschen schenken diesen Nachrichten Glauben. Und das nicht erst seit den Ereignissen der Silvesternacht von Köln.

Selektive Wahrnehmung

Karl Öllinger von der österreichischen Initiative „Stoppt die Rechten“ sieht hier das Beispiel einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: „Auf rechten Blogs sind schon seit Jahren Massenvergewaltigungen durch Zuwanderer herbeigeschrieben worden. Köln hat diesen Kreisen die Bestätigung geliefert. Jetzt behaupten sie, dass ihnen damit der Beweis gelungen sei.“ Dabei wird durchaus selektiv vorgegangen. In der Handreichung der Amadeu Antonio Stiftung findet sich das Beispiel eines Dorfes, in dem Neonazis angebliche Vergewaltigungen durch Flüchtlinge anprangerten – Vergewaltigungen, die es nicht gegeben hat. Dennoch demonstrierten regelmäßig 100 Menschen gegen das örtliche Flüchtlingsheim. Das Pikante: Zur selben Zeit wurden reale Missbrauchsfälle unter der einheimischen Bevölkerung von den Menschen im Ort unter den Teppich gekehrt und verharmlost. Den „eigenen Leuten“ traute man „so etwas“ wohl nicht zu. Den Flüchtlingen aber scheinbar schon, und zwar pauschal allen.

Solche Falschmeldungen sind eine seit Jahrhunderten gut einstudierte Propagandastrategie der Rechtsextremen. Seit es Rassismus gibt, verbreiteten interessierte Kreise Falschmeldungen: seien es Gräuelgeschichten über angeblich durch Menschen jüdischen Glaubens vergiftete Brunnen oder das Klischee vom schwarzen Mann, dem unterstellt wird, „unsere Frauen“ rauben zu wollen. Doch noch nie war die Verbreitung solcher Lügenpropaganda so einfach wie jetzt. Musste man früher mühsam Flugblätter drucken, reicht heute ein Internetposting. Mit oft großem Erfolg.

So erreichte das rechte Verschwörungstheorieorgan „Netzplanet“ im Juni 2015 Platz 14 der deutschsprachigen ­Social Media Charts. „Warum werden deutsche Obdachlose nicht in Luxus-Hotels untergebracht, aber Asylanten?“, war eine der damals von dieser Publika­tion verbreiteten Falschmeldungen.

Abkehr von konventionellen Medien

Im Februar 2016 war „Netzplanet“ nur noch auf Platz 76 der von der Webseite 1000flies.de veröffentlichten Charts. Dafür fanden sich unter den Top 100 zahlreiche rechtspopulistische bis rechtsradikale Publikationen, darunter auf Platz 26 die Zeitung „Junge Freiheit“, auf Platz 36 „Kopp Online“ und auf Platz 61 die österreichische Seite „Unzensuriert.at“, als deren Initiator der frühere FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf gilt. Es handelt sich um Hunderttausende Menschen, die diese Geschichten lesen und weiterverbreiten.

„Das Problem ist, dass viele Menschen den Medien nicht mehr glauben“, analysiert Karl Öllinger. „Das Schlagwort von der Lügenpresse macht immer mehr die Runde. Das bedeutet eine Abkehr von normaler Information. Selbst Alltagsmeldungen wird nicht mehr geglaubt, etwa wenn es um Krieg, Hunger und Tod in Syrien geht. Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung hat sich da völlig ausgeklinkt. Diese Leute halten die syrischen Flüchtlinge für eine Invasionsarmee und die Kriege im Nahen Osten für eine Lüge.“

Ein Beispiel für dieses Misstrauen wurde am 17. März von der „Internationalen Koordinationsstelle zur Bekämpfung von Internetmissbrauch“ aufgezeigt. Ein Bild von Flüchtlingen, die einen Fluss in der Nähe von Mazedonien überqueren und dabei von HelferInnen unterstützt werden, erregte den Unmut von NutzerInnen in sozialen Medien. Weil die Flüchtlinge Gummistiefel trügen und von zahlreichen FotografInnen umgeben seien, könne es sich ja nur um Lügenpropaganda handeln, so eine Argumentation. Das Ereignis fand aber wirklich statt. Die Gummistiefel kamen von Hilfsorganisationen.

Falschmeldungen als Strategie

Um die Propaganda von rechts zu kontern, greifen manche zur Satire. „Als sich in Wien eine rechte Bürgerwehr gründen wollte, sprossen sofort diverse Satire-Accounts auf Facebook aus dem Boden“, erzählt Sebastian Kugler vom Wiener antifaschistischen Bündnis „Offensive gegen Rechts“. „Die echte Facebook-Seite der Bürgerwehr konnte von den Satireseiten nicht mehr unterschieden werden, die Bürgerwehr musste einpacken.“

Doch manche rechte Webseiten ficht Satire nicht an. So verlinkte „Netzplanet“ einen Satirebeitrag einer anderen Webseite über angeblich von der deutschen Bundesregierung, den USA und Freimaurern finanzierte Internettrolle, die rechte soziale Netzwerke unterwandern sollen. „Netzplanet“ verbreitete die Satire als Wirklichkeit und viele LeserInnen schenkten dem Glauben.

Vertrauenskrise in die politische Klasse

Die FPÖ nutzt strategisch rassistische Ressentiments aus der österreichischen Medienlandschaft aus. Strache verlinkt gerne Nachrichten der „Krone“. So teilte er am 17. März den „Krone“-Aufmacher „Millionen in Schnellbote investiert: Albaniens Mafia lotst die Flüchtlinge nun über ­Adria“. Dass der FP-Chef auch öfters Falschmeldungen verbreitet, schadet ihm nicht und ist Teil seiner Strategie.

Es gibt gute Gründe, warum die rechte Medienstrategie aufgeht, sagt Karl Öllinger: „In den letzten Jahren ist eine Vertrauenskrise in die politische Klasse entstanden. Ein wichtiges Beispiel ist die Finanzkrise und die daraus resultierenden Belastungen für die Gesellschaft. Das wird jetzt alles zu einem Gebräu gemischt.“ Hier könnten Gewerkschaften kontern, findet Sebastian Kugler. „In den vergangenen Monaten sind von AK und Gewerkschaften gute Beschlüsse gefasst worden, die eine Aufklärungskampagne gegen die Rechten in den Betrieben vorsehen. Das muss man umsetzen.“ Auch Karl Öllinger sieht das so: „Die FPÖ konnte sich in den letzten Monaten als soziale Heimatpartei etablieren, dabei ist sie neoliberal. Die Betriebe sind gut geeignete Orte, um die Auseinandersetzung zu vertiefen, denn hier kommen KollegInnen unterschiedlicher Nationalitäten und Hautfarben zusammen.“

Allerdings müsse man hier eine geschickte Vorgangsweise finden, so Kugler: „Manchmal wird etwa ein Lehrling entlassen, weil er Hasspostings auf Facebook geteilt oder verbreitet hat. So manche AntifaschistInnen tappen dann in die Falle, wiederum auf sozialen Netzwerken Häme über den Lehrling auszukippen. Der aufklärerische Effekt davon ist jedoch gleich null. Man muss viel früher ansetzen.“

Dieser Beitrag ist eine leichte veränderte Form des in der Printausgabe der Arbeit & Wirtschaft Nr. 3/2016 erschienen Artikels.