Blockchain in der Energiewirtschaft: neue Technologie mit großen Fragezeichen

27. Februar 2018

Spätestens seit dem medialen Hype um Bitcoin, Ethereum und anderen Kryptowährungen hat auch der Bekanntheitsgrad der dahinterliegenden Technologie, der Blockchains, drastisch zugenommen. Blockchain ermöglicht eine Fülle an Anwendungen, die weit über die Finanzwelt hinausreichen. Die Energiewirtschaft ist eine jener Branchen, die Blockchain-Anwendungen für sich entdeckt hat und lotet derzeit die Anwendungsmöglichkeiten aus. Mit diesen neuen Entwicklungen entstehen aber ebenso neue Herausforderungen im Bereich der Regulierung und der Systemsteuerung, aber auch des KonsumentInnen- und Datenschutzes.

Das 1×1 der Blockchain: Was ist es und was nicht?

Grundsätzlich wird unter einer Blockchain ein Verfahren zur Verschlüsselung von verketteten Datenblöcken verstanden, welches die Errichtung und Nutzung dezentral geführter Buchführungssysteme erlaubt. Der Gegenstand über den in einem solchen dezentralen Netzwerk Buch geführt wird tritt dabei in den Hintergrund und spielt nur eine nebensächliche Rolle. So eignet sich das Verfahren unter anderem für die Validierung und Automatisierung von Verträgen, sogenannten „Smart Contracts“, Wertübertragungen (z.B.: als Zahlungsmittel), der Speicherung und gezielten Weiterverarbeitung von Daten (z.B.: elektronischen Gesundheitsakte) oder der Erfassung von Eigentumsrechten und Herkunftszertifikaten (z.B.: Grundbesitzrechten). Des Weiteren zeichnen sich Blockchains oder artverwandte Verfahren durch eine relativ hohe Daten- und Manipulationssicherheit aus.

Doch wie funktioniert das Ganze eigentlich? Untenstehende Abbildung versucht den Prozess in vereinfachter Form zu veranschaulichen. Sender A möchte gerne eine Transaktion durchführen. Er verschlüsselt seinen Datenblock (1) und sendet ihn an das Netzwerk (2). Das einzelne NetzwerkteilnehmerInnen überprüfen nun die Daten auf ihre Richtigkeit (3) und falls die Kontrolle positiv ausfällt wir der Datenblock an die bereits existierenden Datenblöcke angefügt (4), welche die sogenannte Blockchain (Blockkette) bildet. Schlussendlich erhält Empfänger B den verifizierten und gesicherten Datenblock (5). Die Vorteile dieses Systems sind, dass die einzelnen Datenblöcke leicht auf ihre Echtheit zu verifizieren sind. Sowohl die vorhergehenden als auch die nachfolgenden Datenblöcke sind eindeutig zuordenbar, miteinander verknüpft und durch das dezentrale Netzwerk verifiziert. Dies macht Manipulationen einzelner Transaktionen (Datenblöcke) äußerst schwierig, da die anderen NetzteilnehmerInnnen einen nachträglich abgeänderten Datenblock sofort als einen solchen erkennen und Transaktionen daraufhin ablehnen würden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Aufgrund der hohen Manipulationssicherheit, dem Rückgriff auf eine dezentrale Struktur und der Vereinfachung von leicht zuordenbaren Datenflüssen stößt die Technologie der Blockchain nicht nur in der Finanzwirtschaft auf ein stetig wachsendes Interesse. So wird auch bereits in anderen Sektoren über die Verwendung aktiv nachgedacht um die Digitalisierung im eigenen Bereich zu nutzen und weiter voranzutreiben.

Die Energiewirtschaft auf der Suche nach der richtigen Blockkette

Seit einiger Zeit zeigt sich auch die die Energiewirtschaft an der Blockchain sehr interessiert. Klimaziele und das Ziel der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien bilden hier den Rahmen in dem sich parallel ein Digitalisierungs- und Automatisierungsschub langsam abzuzeichnen beginnt. Die derzeit stattfindende Ausrollung der Smart Meter bereitet dazu den Weg und setzt erste Schritte in Richtung Digitalisierung im Energiebereich. Durch eine Koppelung solcher intelligenten Messsysteme mit dem Internet-der-Dinge (IoT) ergeben sich ganz neue Anwendungsmöglichkeiten bei denen die Smart-Meter-Gateways zum Dreh- und Angelpunkt der intelligenten Steuerung von Verbrauchern, Erzeugern und Speichern im Haushalt und im Versorgungsnetz werden.

Weiter gedacht bedeutet dies auch, dass eine dezentrale Steuerung und Überwachung der Energieproduktion und Nachfrage erleichtert wird. So zeigt bereits heute ein Pilotprojekt in Brooklyn, NY, dass die Entwicklung von autarken Microgrids technisch möglich ist. Das „Brooklyn Microgrid“ versorgt die Anwohner mit der eigens in der Nachbarschaft produzierten (erneuerbaren) Energie, z.B.: über die privat installierten Photovoltaik Anlagen. Die AnwohnerInnen werden dabei zu ProduzentInnen und KonsumentInnen im eigenen Versorgungsnetz. Mittels Smart Meter und Blockchain-Technologie erfolgen Abrechnung und Bezahlung ohne einen zwischengeschalteten Versorger und der Stromhandel erfolgt automatisiert innerhalb der Nachbarschaft. Derzeit erprobt Wien Energie in der Seestadt Aspern die Anwendung der Blockchain in einem ähnlichen Projekt.

Aber die Ideen zur Verwendung von Blockchains reichen über solche Projekte weit hinaus. So können kleinteilige EnergieproduzentInnen je nach Bedarf und Nachfrage auch in sogenannten „virtuellen Kraftwerken“ zusammengeschlossen werden und als virtuelle Einheit im Energiesystem auftreten um ihre erzeugte Überschussenergie an das Energienetz bei Bedarf zu verkaufen.

Schlussendlich werden mit diesen technologischen Entwicklungen auch neue Geschäftsmodelle im Energiesektor entstehen. Diese können dabei von Peer-2-Peer Stromhandelsplattformen bis hin zu neuen Energiedienstleistungsmodellen reichen. Automatisierte Handelsroutinen, so genannte „Smart Contracts“, sind dazu nur eines von vielen Beispielen.

E-Mobilität über die Kette

Aber nicht nur im Energiesektor selbst setzt sich die Digitalisierung weiter fort. Neue Technologien und Entwicklungen wie eben der Blockchain erlauben auch neue Formen der Sektorkopplung. Zum Beispiel zwischen der Energiewirtschaft und dem Verkehrssektor. Gerade die neueren Entwicklungen im Bereich der E-Mobilität bieten dazu ein anschauliches Beispiel. Auf Basis der Blockchain-Technologie lässt sich nämlich eindeutig zuordnen welches Auto in diesem Moment gerade an welcher Ladestation lädt und dies automatisiert über eine eigene App am Smartphone abrechnen. Ein Anwendungsbeispiel ist dazu das Pilotprojekt „Oslo2Rome“, welches eine internationales Ladenetzwerk aufbaut an dem die Vorarlberger Kraftwerke AG teilnimmt. Ziel dieses Projekts ist es zu zeigen, dass grenzüberschreitendes Laden an allen teilnehmenden Ladepunkten unabhängig vom Anbieter und dessen Ladebedingungen auf diesem Weg einfach und effizient organsiert werden kann. Außerdem wird für etwas weiter in der Zukunft über das Potential der Koppelung von E-Autos und deren Potential als Speicher für das Stromnetz nachgedacht. Die immer besser werdenden Speichertechnologien in Verbindung mit einer intelligenten Netzsteuerung in „Smart Grids“ können dabei als Puffer zur Netzstabilisierung herangezogen werden und somit einen dezentralen Beitrag zur Netzstabilität leisten.

Noch viele Fragen bleiben unbeantwortet

Bei all dem technischen Optimismus der derzeit in den Diskussionen um die Blockchain, „Smart Contracts“, „Smart Grids“ und „Smart Homes“ versprüht wird sollten jedoch die Herausforderungen dieser Entwicklungen nicht unterschätzt oder gar vernachlässigt werden. Denn so vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten auch sind, so komplex und vielschichtig können auch die Anforderungen abseits der reinen technischen Lösung sein.

Die Herausforderungen die es hierbei zu meistern gilt sind unter anderem Fragen des Netzinfrastrukturausbaus bzw. der Erneuerung, sowie daran angeschlossen die Frage über die Verteilung der Investitionskosten. Dies wird insbesondere anhand der Beispiele des Peer-2-Peer oder Business-2-Business Handels von Strom deutlich. Denn nicht nur die Erzeugung von Strom verursacht Kosten die abgegolten werden müssen, sondern auch die Bereitstellung eines stabilen und modernen Netzes. Das heißt die neben den reinen Produktionskosten anfallenden Netzausbau- und Erhaltungskosten müssen auch getragen werden. Die Netze stellen natürliche Monopole dar, sie unterliegen daher nicht dem Wettbewerb, sondern werden durch die Regulierungsbehörde kostenreguliert. Der gerechten Verteilung der Kosten zwischen den unterschiedlichen AkteurInnen – also zwischen Erzeugern, industriellen-, gewerblichen- und privaten VerbraucherInnen sowie Prosumern – ist im Sinne der Leistbarkeit und Tragfähigkeit von Energiedienstleistungen dabei besonders relevant.

Die Fragen der Regulierung gehen aber weit über die reinen Netzkosten hinaus. Auch im Sinne der Systemstabilität insbesondere unter der Einspeisung eines zunehmenden Anteils von volatiler kleinteiliger Erzeugungsleistungen sind derzeit noch viele Fragen offen. Dies betrifft auch einen potentiellen völlig automatisierten Handel zwischen den einzelnen kleinteiligen Erzeuger- und Verbraucherstrukturen. In solchen Fällen bleiben ebenfalls Fragen nach Rücktritts- und Rückabwicklungsrechten weitestgehend unbeantwortet und die zu erwartende starke Zunahme an unterschiedlichen Preis- und Abrechnungsmodellen der Energiedienstleister verlangt nach Möglichkeiten eines transparenten Vergleichs. All diese Aspekte sind aus gesellschaftlichen und konsumentInnenschutzrechtlichen Gründen von besonderer Relevanz und müssen bereits vorab und während der Umsetzung beantwortet werden.