Berufsbegleitendes Fachhochschul-Studium in Österreich – Eine kritische Analyse einer Erfolgsgeschichte

23. September 2016

Mit der Etablierung der ersten Fachhochschulen im Jahr 1994 in Österreich wurde der Zugang für berufstätige Menschen zu Ausbildungen im tertiären Bereich erleichtert bzw. erweitert. Die Angebote an speziell auf diese Zielgruppe zugeschnittenen Studiengängen, welche ein Studium neben einer Vollzeitbeschäftigung erlauben, wurden sukzessiv ausgebaut. So erfreulich diese Entwicklung in quantitativer Hinsicht zu beurteilen ist, so muss auch genauer hinterfragt werden, ob die aktuellen Rahmenbedingungen für die Studierenden immer optimal gegeben sind oder ob etwas geändert werden sollte.

40% aller Fachhochschul-Studierenden absolvieren Studium berufsbegleitend

Im Wintersemester 2015 studierten ungefähr 48.000 Personen österreichweit an Fachhochschulen, davon rund 19.000 (56% männlich, 44% weiblich) in der berufsbegleitenden Form. Diese FH-Studiengänge werden primär von Personen besucht, die ihre Studienberechtigung über den zweiten Bildungsweg erlangt haben bzw. nach bereits mehrjähriger Berufserfahrung eine tertiäre Ausbildung anstreben. Aktuelle Daten zeigen, dass Studierende berufsbegleitender Fachhochschul-Studiengänge im Schnitt 29,0 Jahre alt sind bzw. 64% dieser Studierendengruppe älter als 26 Jahre sind. Sie sind damit deutlich älter als Studierende von Vollzeitstudiengängen (23,6 Jahre im Schnitt bzw. 20% über 26 Jahre) und haben somit auch andere Lebensumstände und damit höhere Kosten. Bezüglich der sozialen Herkunft der berufsbegleitend Studierenden kommen 25% aus niedriger, 35% aus mittlerer, 30% aus gehobener und 10% aus hoher Schicht. Somit stammt im Vergleich zu Vollzeitstudierenden ein klar höherer Anteil aus niederen Schichten. Hauptmotive für die Wahl eines berufsbegleitenden Fachhochschul-Studiums sind unter anderem die fixe Studiendauer, bessere Verdienst- und Karrieremöglichkeiten und vor allem die Existenz eines auf die Zielgruppe organisatorisch zugeschnittenen Studienprogramms.

Zeitmanagement bei Studierenden gefragt – Berufs- und Privatleben leiden unter Studium

Eine große Herausforderung stellt für die Studierenden der zusätzliche zeitliche Mehraufwand dar, den das berufsbegleitende Studium mit sich bringt. Die zu absolvierenden Lehrveranstaltungen werden an der Fachhochschule meist unter der Woche abends oder geblockt an Wochenenden angeboten. In der Freizeit müssen die Studierenden Arbeiten schreiben, sich auf Prüfungen vorbereiten und sonstige Aufgaben erledigen, die im Zusammenhang mit dem Studium stehen. Dies bedarf eines guten Zeitmanagements, um eine bestmögliche Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Privatleben zu erreichen.

Im Rahmen einer 2012 veröffentlichten Studie der Fachhochschule Wiener Neustadt im Auftrag der AK Niederösterreich gaben 96% der befragten Studierenden an, den zeitlichen Aufwand für das Studium als hohe Belastung zu empfinden. Für Studium und Beruf werden durchschnittlich 60 Stunden pro Woche aufgebracht, teilweise sogar über 70 Stunden. Viele Befragte sehen auch Schwierigkeiten in der Vereinbarkeit mit dem Job. Es kommt zu Leistungsabfällen, Terminüberschneidungen oder Problemen mit Kolleginnen und Kollegen. 12% der Befragten informieren den/die Arbeitgeber/in erst gar nicht darüber, dass ein berufsbegleitendes Fachhochschul-Studium aufgenommen wurde. Viele fürchten, dass der/die Arbeitgeber/in kein Verständnis zeigt, sie unter Druck gesetzt werden oder für nicht zufrieden stellende Leistungen in der Arbeit das Studium verantwortlich gemacht wird. Auch das Privatleben und die Freizeitgestaltung kommen während des Studiums zu kurz. 81% der berufsbegleitenden Studierenden geben im Rahmen der o.a. Studie an, dass sie kein ausreichendes Ausmaß an Freizeit hätten. Viele Studierende leben in einer Partnerschaft, haben Kinder und wollen in der Freizeit Freunde treffen und Hobbies ausüben. Diese Bereiche werden zwangsweise vernachlässigt, da der Fokus auf das erfolgreiche Absolvieren des Fachhochschul-Studiums gelegt wird.

Verbesserung der Rahmenbedingungen von mehreren Faktoren abhängig

Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein berufsbegleitendes Fachhochschul-Studium als Aus- oder Weiterbildung absolvieren möchten, dann sollte ihnen das natürlich möglich sein. Dabei sind alle Akteure gefragt, die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen. Letztendlich profitieren davon Fachhochschulen, Unternehmen und auch die Studierenden selbst. Folgende Aspekte nehmen dabei eine wichtige Rolle ein:

  • Verankerung von mehr Fernlehr- und Blended-Learning-Elementen in den Lehrplänen der berufsbegleitenden Studien.
  • Terminliche Wahlmöglichkeit bei Lehrveranstaltungen, flexible Präsenztermine und Öffnungszeiten mehr auf die Bedürfnisse der berufsbegleitend Studierenden abstimmen.
  • Stärkung von alternativen Formen wie etwa dualen Studien, bei denen Studierende in geblockter Form Unterricht bzw. Praxis in Partnerunternehmen der Fachhochschulen absolvieren.
  • Erhöhung der Akzeptanz und des Mehrwerts eines berufsbegleitenden Studiums bei ArbeitgeberInnen.
  • Ebenfalls wäre bei (kurzfristigen) Terminen, die für das Studium wichtig sind, mehr Flexibilität von Seiten der ArbeitgeberInnen gefragt.
  • Forcierung von Bildungskarenz und Bildungsteilzeit, um vorzeitige Studienabbrüche zu verhindern.