Bedarfsorientierte Sozialleistungen versus bedingungsloses Grundeinkommen

01. August 2017

Die Idee, dass jedes Mitglied einer Gesellschaft unabhängig von seinen Einkommens- oder Vermögensverhältnissen regelmäßig und ohne Gegenleistung eine staatliche Zuwendung bekommen soll (bedingungsloses Grundeinkommen), wird weltweit seit vielen Jahren diskutiert.

Im Folgenden will ich anhand einer kurzen Präsentation einen Beitrag zu dieser Diskussion beisteuern. Im Blickpunkt steht die Frage, welche Auswirkungen auf die Einkommensverteilung der Umstieg von einem bedarfsorientierten System auf ein bedingungsloses Grundeinkommen hat.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Die erste Folie zeigt die Bevölkerung, unterteilt in fünf verschiedene Einkommensgruppen. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Vermögen, Unterhalt etc. beträgt demnach bei der schwächsten Einkommensgruppe drei Legopunkte und bei der stärksten Einkommensgruppe 24 Legopunkte usw.

Im Hintergrund, mit blauen Legosteinen symbolisiert, befinden sich die Budgetmittel für bedarfsorientierte Sozialleistungen. Gemeint sind damit insbesondere Leistungen wie die Mindestsicherung, das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe, Stipendien und die Ausgleichszulage (= Ergänzungsleistung zur Pension, um ein Mindesteinkommen, eine „Mindestpension“ sicherzustellen).

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Auf der zweiten Folie sieht man eine mögliche bedarfsorientierte Verteilung der erwähnten Budgetmittel. Demnach würde die schwächste Einkommensgruppe sechs Legopunkte dazubekommen und somit insgesamt über neun Legopunkte verfügen. Die zweitschwächste Gruppe würde drei Legopunkte bekommen und daher elf Legopunkte zur Verfügung haben etc. Die zwei stärksten Einkommensgruppen würden – da die Verteilung bedarfsorientiert erfolgt – keine zusätzlichen Legopunkte bekommen.

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Würde eine Verteilung entsprechend dem bedingungslosen Grundeinkommen stattfinden und sohin ohne Rücksicht auf einen Bedarf bzw. ohne Bedarfsprüfung ablaufen, so würde jede Einkommensgruppe zwei Legopunkte zum sonstigen Einkommen dazubekommen. Alle Einkommensgruppen würden also gleichermaßen profitieren.

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Vergleicht man die beiden Systeme, so zeigt sich, dass es bei einem Umstieg von einem bedarfsorientierten System zu einem bedingungslosen Grundeinkommen vor allem bei der schwächsten Einkommensgruppe zu gravierenden Einschnitten kommen würde. Hier käme es zu einem Verlust von vier Legopunkten. Geringer wäre der Verlust bei der zweitschwächsten Einkommensgruppe. Die Teile der Bevölkerung mit einem höheren Einkommen würden von einem solchen System profitieren.

Welche Schlussfolgerungen können daraus gezogen werden?

Ein Umstieg zu einem bedingungslosen Grundeinkommen unter den genannten Voraussetzungen würde dazu führen, dass die einkommensschwächeren Teile der Bevölkerung die Verlierer wären und die reichen die Gewinner. Es käme also zu einer Umverteilung von unten nach oben!

Der Verlust wäre für die Einkommensschwächsten beachtlich und stark spürbar (statt neun stehen nur fünf Legopunkte zur Verfügung). Für die Reichen wäre der Zugewinn nur gering wahrnehmbar (26 statt 24 Legopunkte).

Selbst wenn man es schaffen würde, die Mittel, die zur Verteilung zur Verfügung stehen, zu erhöhen (im Beispiel also nicht bloß zehn, sondern 20 oder gar 30 Legopunkte zur Verfügung stehen würden), würde sich im Prinzip nichts ändern. Es wäre immer eine Umverteilung von unten nach oben. Wenn nämlich 30 Legopunkte zur Verfügung stehen, dann würden bei einem bedarfsorientierten System die einkommensschwächeren Teile der Bevölkerung mehr davon profitieren.

Nichtsdestotrotz könnte man nun verschiedene Überlegungen anstellen, wie zusätzliche Budgetmittel lukriert werden könnten. Im Bereich der Einnahmen gäbe es realistischerweise vor allem zwei „Räder“, die groß genug wären, um entsprechend „steuern“ zu können – Einkommenssteuer und Umsatzsteuer.

Erfolgen die zusätzlichen Einnahmen über eine Erhöhung der Einkommenssteuer, so würde aufgrund der progressiven Gestaltung dieser Steuer (Reiche zahlen nicht bloß absolut, sondern auch relativ mehr, also einen höheren Prozentsatz) der Effekt Umverteilung von unten nach oben abgemildert werden. Im Prinzip würde es aber dennoch dabeibleiben, dass Reiche gewinnen und Arme verlieren.

Erfolgen die zusätzlichen Einnahmen durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer, so würde dies die Einkommensschwächeren zusätzlich belasten. Diese haben nämlich naturgemäß weniger Geld zum Sparen oder zur Veranlagung und müssen einen größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel, Miete, Kleidung etc. ausgeben.

Auch eine Erhöhung der zur Verteilung zur Verfügung stehenden Budgetmittel durch Einschränkungen der Ausgaben, wie etwa Bildung, Sicherheit, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (Energieversorgung, Müllentsorgung, Versorgung mit Trinkwasser, öffentlicher Verkehr etc.) würde Einkommensschwächere härter treffen. Diese Einschränkungen könnten Personen mit einem höheren Einkommen durch die Bezahlung privat organisierter Leistungen (z. B. Privatschulen, Benützung von Taxis beim Fahren in der Nacht) leichter ausgleichen. Für Einkommensschwächere blieben nur Angebote von schlechterer Qualität („Poor Service for Poor People“).

Schlussbemerkung

Ich habe in der gegenständlichen Präsentation bewusst auf konkrete Zahlen verzichtet. Auch wurde kein konkretes Land angeführt. Es geht mir nämlich darum, aufzuzeigen, was der Umstieg von einem bedarfsorientierten System zum bedingungslosen Grundeinkommen im Prinzip bedeutet.

Letztlich möchte ich anmerken, dass auch dann, wenn man bei der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens das bestehende System der bedarfsorientieren Zurverfügungstellung von Sozialleistungen unangetastet lässt (das bedingungslose Grundeinkommen also zusätzlich ausbezahlt wird), dies im Grunde wenig am Befund ändert. Die bedarfsorientierte Verteilung der zusätzlich zur Verfügung stehenden Mittel wäre nämlich sozialpolitisch zielführender und sinnvoller als eine Verteilung nach dem Gießkannenprinzip.