Bankenpaket: vom tollen Einnahmenprogramm zum Desaster

10. Juni 2015

Auch sieben Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise sind die Aufräumarbeiten im Finanzsektor noch nicht abgeschlossen: Österreich hat noch immer ein beträchtliches Bankenproblem mit negativer Wirkung auf das Budget.

 

Ich habe es noch gut im Ohr: Erste-Bank-Direktor Andreas Treichl erklärte rund um die parlamentarische Beschlussfassung des Bankenpakets 2008 vollmundig, beim Bankenpaket handle es sich um ein tolles Einnahmenprogramm für den Staat. Und der Nachfolger von Finanzminister Wilhelm Molterer, Josef Pröll, erzählte später dieselbe Geschichte. Kritik an der österreichischen Lösung war aber bereits damals schon angebracht. Sechs Jahre nach der Beschlussfassung des Bankenpakets ist es Zeit eine Bilanz zu ziehen. Im Fokus stehen die direkten Auswirkungen des Bankenpakets auf Budgetdefizite und Staatsverschuldung.

Vom größten Finanzskandal der zweiten Republik wusste die Öffentlichkeit damals freilich noch nichts. Das Hypo-Debakel war in seiner Dimension 2008 beim Beschluss des Bankenpakets allenfalls für Insider absehbar. Im Jahr zuvor blieb die Untersuchung der Hypo Alpe Adria im Banken-Untersuchungsausschuss nicht zuletzt wegen massiver Schwärzungen von Akten und Aussageverweigerungen ohne Ergebnis. Zudem wurde der U-Ausschuss mit Beschluss der Regierungsparteien vorzeitig beendet.

Heute ist klar, dass die Hypo bereits zum Zeitpunkt der damaligen Untersuchung konkursreif war. Der „Griss-Report“ gibt fundierte Einblicke in das Versagen von Bankenaufsicht und Politik und weist deutlich auf deren „multiples Versagen“ hin. Mit der Aufarbeitung der politischen Verantwortung und dahinter liegenden Motivlagen dieses Finanzskandals befasst sich derzeit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss.

Mehr als 10 Milliarden Euro wurden bereits in den Sand gesetzt

 Das zentrale Ergebnis lautet: Von einem „guten Geschäft“ für den Staat kann keine Rede sein. Die gesamten Nettoverluste für den Staat liegen nach Angaben von Eurostat im Zeitraum 2009 bis 2014 bei 10,3 Milliarden Euro. In diesen Zahlen wurden die Erträge aus Haftungsentgelten, Dividenden aus Partizipationskapital etc in Höhe von rund 4 Milliarden Euro bereits gegengerechnet. Gemessen am Risiko, das der Staat 2008 übernommen hat, blieben die Renditen aus dem Partizipationskapital und den Haftungsentgelten bescheiden. Die (Teil-)Verstaatlichung der Banken wurde zu einem Desaster für die Steuerzahler, während in den Jahren vor der Finanzkrise die Banken und ihre Aktionäre gut verdienten.

Nettobelastung durch das Bankenpaket gemäß ESVG 2010 in Millionen Euro

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle. Eurostat, Stand 02.04.2015 © A&W Blog
Quelle: Eurostat, Stand 02.04.2015

Von Interesse ist zweifellos die Frage, welche Banken das Budget wie stark belasten. Die kumulierten defiziterhöhenden Zuschüsse stiegen im Vorjahr im Zuge der Errichtung der Hypo-Abbaueinheit Heta Asset Resolution AG auf knapp 12 Milliarden Euro an, weil sich ein kräftiger Wertberichtigungsbedarf herausstellte. Es ist daher wenig überraschend, dass die Hypo/Heta mit rund 8 Milliarden Euro die höchsten budgetären Belastungen mit sich brachte. Auf die Kommunalkredit AG und ihre „Bad Bank“ KA Finanz AG entfallen rund 2,8 Milliarden Euro. Geradezu bescheiden sind im Vergleich die Verluste der Volksbanken AG und der Hypo Tirol.

Maastricht-wirksame Zuschüsse je Kreditinstitut in Millionen Euro

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: Statistik Austria, Maastricht Notifikation vom 30.03.2015 © A&W Blog
Quelle: Statistik Austria, Maastricht Notifikation vom 30.03.2015

Bankenhilfen als Hauptursache für den Anstieg der Staatsschulden

Oft wird behauptet, die Staatsverschuldung sei hausgemacht: Die BürgerInnen hätten über ihre Verhältnisse gelebt. Wahr ist vielmehr, dass die Bankenhilfen und weitere indirekte Auswirkungen der Finanzkrise die Verschuldung steigen ließen (siehe Tabelle unten). Man denke etwa an die schwere Rezession nach Ausbruch der Finanzkrise mit seither schwacher Wirtschaftsentwicklung und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Entwicklung des Schuldenstands in Prozent des BIP

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: Statistik Austria, Eurostat © A&W Blog
Quelle: Statistik Austria, Eurostat

Allein die direkten Auswirkungen des Bankenpakets auf den Schuldenstand waren erheblich. Sie lagen im Jahr 2009 bei 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und sanken bis 2013 kontinuierlich ab – vor allem durch die Rückzahlung erheblicher Teile des vergebenen Partizipationskapitals (Erste Bank, Raiffeisen International, BAWAG) –. Im Jahr 2014 erreichte das Bankenpaket mit 8,4 Prozent am BIP den bisher höchsten Wert. Gründe waren vor allem die Errichtung der Abbaueinheit Heta sowie Änderungen im Zusammenhang mit dem ESVG 2010 (Zurechnung der KA Finanz AG zum Sektor Staat).

Die Staatsschuldenquote wird laut Strategiebericht 2015 der Bundesregierung auf 86,8 Prozent des BIP weiter ansteigen und erst in der Planungsperiode 2016 bis 2019 kontinuierlich sinken. Die Staatsschuldenquote wird heuer deshalb ansteigen, weil ein Teil der Kommunalkredit-Schulden mit der KA Finanz AG verschmolzen wird, welche seit 2014 verstaatlicht ist. Das erhöht die Schulden des Staates um 6,3 Milliarden Euro.

 Platz sieben im EU-Vergleich

Die öffentlichen Haushalte in den 28 EU-Staaten wurden durch die Bankenpakete zwischen 2007 und 2014 netto mit rund 186 Milliarden Euro belastet (1,3 Prozent des EU-BIP), wovon 10,3 Milliarden Euro auf Österreich entfielen. Gemessen am BIP-Durchschnitt liegt Österreich damit an siebenter Stelle.

Nettobudgetbelastung Bankenpakete in % des BIP 2014

Dekoratives Bild © A&W Blog
Quelle: Eurostat, AMECO, eigene Berechnungen © A&W Blog
Quelle: Eurostat, AMECO, eigene Berechnungen

Bankenpakete in anderen Ländern besser konzipiert?

Im Vergleich stehen Deutschland mit 1,3 Prozent des BIP, ebenso die Niederlande mit 0,7 Prozent und Großbritannien mit 0,5 Prozent deutlich besser da als Österreich.

In einigen Staaten verzeichnen die Staatshaushalte gar Nettogewinne: Dänemark, Frankreich und Italien. Das dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass die Bankenrettung in diesen Staaten anders konzipiert war. Die Bankenrettung setzte in diesen Ländern stärker auf Haftungen und weniger auf Kapitalmaßnahmen.

Ist damit das Ende der Fahnenstange erreicht? Leider nein.

Die budgetären Belastungen steigen heuer voraussichtlich weiter an. Im Strategiebericht der Bundesregierung 2016-2019 sind für das Jahr 2015 weitere 1,7 Milliarden Euro an Maastricht-wirksamen Bankenhilfen vorgesehen. Davon entfällt eine Milliarde Euro auf eine Haftung des Bundes für die Nachranganleihe der früheren Hypo. Die restlichen 700 Millionen Euro dienen u.a. für die italienische Tochterbank HBI, die 2014 in eine eigens gegründete Bundesholdinggesellschaft übertragen wurde und abgebaut werden soll. Medien sprechen bei der HBI von Abwertungserfordernissen in Höhe von mindestens 400 Millionen Euro.

 Erhebliche Unsicherheiten bestehen auch bei der Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG), die ebenfalls abgewickelt und in eine Bad Bank (Immigon Portfolio Abbau AG) umgewandelt werden soll. Der Staat erwartet sich von der ÖVAG das noch in ihr steckende Partizipationskapital in Höhe von 300 Millionen Euro. Die Rückzahlung ist jedoch unsicher, weil auch das Partizipationskapital vom geplanten Kapitalschnitt betroffen sein soll.

 Vor wenigen Wochen kündigte der neue Vorstand der Heta an, die Abwicklung der Abbaueinheit innerhalb von drei bis fünf Jahren durchführen zu wollen. Das weicht erheblich vom bisherigen Plan ab, der einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren vorsah. Das machte eine neuerliche Bewertung der Assets erforderlich, aus der sich für die Bilanz 2014 ein neuerlicher Wertberichtigungsbedarf ergeben könnte.

Fazit

Österreich hat also nach wie vor ein beträchtliches Bankenproblem mit budgetären Folgewirkungen. Traurige Bilanz: Die Aufräumarbeiten im Finanzsektor sind im Jahr sieben nach Ausbruch der Finanzkrise noch nicht abgeschlossen.

 Dieser Blogbeitrag ist eine überarbeitete Fassung zum Bankenpaket aus der Analyse des Bundesfinanzrahmengesetzes: http://media.arbeiterkammer.at/wien/MWuG_Ausgabe_142.pdf