Elementarbildung: Investitionen rechnen sich

31. Oktober 2016

Mehr und bessere Kinderbetreuung und Elementarbildung könnte nicht nur Tausende neue Arbeitsplätze schaffen, sie würde sich mittelfristig auch selbst finanzieren. Diese positiven Effekte zeigte eine AK-Modellrechnung aus dem Jahr 2013. Der Ausbau der Elementarbildung wäre auch ein Betrag zu einer sozial-ökologischen Investitionsstrategie, weil diese Steigerung in der Beschäftigung kaum Energie oder andere natürliche Ressourcen kostet. Doch grau ist alle modellierte Theorie und die Frage lautet: Lassen sich diese Ergebnisse auch in der Realität zeigen? Ein kurzer Check der Entwicklungen in der Kinderbetreuung der letzten Jahre zeigt: die Rechnung geht auf!

 

Trotz der Fortschritte in den letzten Jahren besteht in Österreich noch immer Bedarf an mehr Plätzen in der Elementarbildung, vor allem bei den Unter-3-Jährigen. Das EU-weite Ziel von 33% Betreuungsquote wird mit Ausnahme von Wien und Burgenland in allen Bundesländern deutlich verfehlt. Auch bei den täglichen und auch jährlichen Öffnungszeiten – Stichwort: Ferienschließzeit – gibt es Verbesserungsbedarf. Zudem müsste das Verhältnis zwischen pädagogisch ausgebildetem Personal und Kindern verbessert werden, damit dem Bildungsauftrag wirklich nachgekommen werden kann.

Aber mit Investitionen in die Kinderbetreuung könnten nicht nur die akuten Defizite bezüglich Angebot und Qualität behoben werden, sondern auch beachtliche Beschäftigungs- und Budgeteffekte generiert werden.

AK-Modellrechnung: Mehr Qualität und Beschäftigung

Eine Modellrechnung von Buxbaum/Pirklbauer et al (Wien, 2013) versuchte das zu veranschaulichen. Dabei wurde von einer Anstoßfinanzierung seitens des Bundes von jährlich 100 Mio. Euro für die nächsten vier Jahre ausgegangen. Diese Summe sollte um den gleichen Betrag von den Ländern ergänzt werden. Die Modellrechnung ergab, dass damit beispielsweise 35.000 zusätzliche Plätze für Kleinkinder und bessere Öffnungszeiten bei 70.000 bestehenden Kindergarten-Plätzen geschaffen werden könnten. Zusätzlich würde damit für jede Kleinkindgruppe halbtags eine zusätzliche pädagogische Fachkraft zur Verfügung stehen.

Hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse kommt die Rechnung zu dem Ergebnis, dass damit 14.000 neue Jobs in der elementaren Bildung selbst geschaffen würden. Je nach Konjunkturverlauf könnten darüber hinaus zwischen 14.000 und 28.000 Eltern einer (höheren) Erwerbstätigkeit nachgehen, die bislang durch ihre Betreuungspflichten daran gehindert waren.

Aus den Steuern und Abgaben dieser Beschäftigung würden damit Einnahmen für die öffentliche Hand entstehen. Zusätzlich gäbe es Einsparungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung, da ein Teil der neuen Jobs mit vormals arbeitslos gemeldeten Personen besetzt werden kann. Diese positiven Effekte für die öffentlichen Haushalte übersteigen nach dem vierten Jahr die zusätzlichen Kosten für die Elementarbildung – je nach wirtschaftlicher Entwicklung um bis zu +168 Mio. Euro jährlich.

Elementarbildung in Modell und Wirklichkeit

Drei Jahre danach soll diese Kalkulation einer Überprüfung unterzogen werden, ob die in der Modellrechnung erhobenen Effekte auch tatsächlich entstehen. Datenbasis für den Reality-Check bildet die Kindertagesheimstatistik. Diese ist eine österreichweite Erhebung über institutionelle Betreuungsformen, sprich Krippen, Kindergärten, Horte und altersgemischte Einrichtungen. Als Basisjahr wird 2011/12 herangezogen, also das Jahr bevor der Ausbau laut Modellrechnung einsetzt.

Seit 2008 gibt es in Österreich Mittel vom Bund, um den Ausbau der elementaren Bildung anzustoßen, mit einer kräftigen Aufstockug ab 2014. Diese Maßnahme hat zu einem deutlichen Anstieg der für die elementare Bildung eingesetzten Mittel geführt. Für den Vergleich werden nur die Steigerungen in den Jahren nach 2011/12 betrachtet.

Was sollte laut AK-Modell realisiert sein?

Die Modellrechnung hat für das Erreichen der oben genannten Ziele fünf Jahre ab 2013 vorgesehen. Der Beobachtungszeitraum umfasst allerdings nur drei Jahre, deswegen müssen die realen Fortschritte mit der Ausbaustufe des Modells, die für 2016 berechnet wurde, verglichen werden. Diese stellen sich folgendermaßen dar:

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Q: AK Wien (2016), eigene Darstellung

Bei den Kleinkindplätzen sollten 22.500 der insgesamt 35.000 Plätze bereits geschaffen sein. Die Verbesserung der Öffnungszeiten wurde als voll umgesetzt kalkuliert (also alle 70.000 Plätze). Weiters sollten bereits für 50.000 von insgesamt 70.000 Kleinkind-Plätzen der Personalschlüssel verbessert worden sein. Als Untergrenze für die Eltern wurden 8.500 mehr in Beschäftigung kalkuliert. Diese Zahlen sollen nur mit den Daten der Kindertagesheimstatistik im gleichen Zeitraum verglichen werden.

Reality-Check: Was tut sich in der Elementarbildung?

Durch die oben genannten Bundeszuschüsse sind die Ausgaben in der Elementarbildung deutlich angestiegen. 2014/15 wurden 240 Mio. mehr Mittel eingesetzt als noch 2011/12. Dem entsprechend ist das Betreuungsangebot für die Unter-6-Jährigen deutlich angewachsen, und zwar in Summe um 18.600 Plätze.

Eine Verbesserung der Öffnungszeiten ist in der Kindertagesheimstatistik in dieser Form nicht erfasst. Deswegen wird hier stellvertretend die Zunahme bei jenen Plätzen erfasst, die dem so genannten Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf – kurz VIF – entsprechen. Diese Plätze haben Öffnungszeiten, die mit einer Vollzeiterwerbstätigkeit vereinbar sind. Auch hier ist ein starkes Anwachsen zu verzeichnen, nämlich um etwas über 37.000.

Diese Zuwächse bedingen natürlich eine Ausweitung des Personals. In Summe sind nach diesen drei Jahren fast 7.000 Menschen mehr in der Kinderbetreuung und –bildung beschäftigt.

Nicht überprüft werden kann die Verbesserung des Personalschlüssels, da diese Daten nicht in der Kindertagesheimstatistik enthalten sind. Allerdings wurde der Einsatz der Bundesmittel für diesen Zweck erst mit dem Jahr 2014/15 möglich.

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Q: Kindertagesheimstatistik, Statistik Austria; Erwerbstätigkeit AKE; eig. Berechnungen; Personal für 2014/15 für Wien von Stat. Austria geschätzt, da keine Zahlen verfügbar; Ausgaben für 2014/15 auf Basis der Entwicklung der Vorjahre geschätzt

Der Vergleich macht sicher

Im Modell wurden für den analysierten Zeitraum fast doppelt so viele Mittel verschlagt als tatsächlich ausgegeben wurden: nämlich 464 Mio. Euro statt 240 Mio. Euro. Dementsprechend musste die reale Entwicklung der Elementarbildung natürlich ebenfalls geringer ausfallen. Um die Größenordnungen vergleichen zu können, werden nun die unterstellten Effekte des Modells auf die tatsächlichen zusätzlichen Investitionen von 240 Mio. Euro aliquotiert. Die nachstehende Grafik zeigt diesen Vergleich:

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Q: Statistik Austria (siehe oben), AK Wien (2016), eigene Darstellung

Beim Vergleich der Modellwerte mit den „Echtwerten“ zeigt sich, dass sowohl bei den Verbesserungen der Öffnungszeiten als auch beim Personal die Effekte sehr punktgenau berechnet wurden. Ins Auge sticht hingegen, dass tatsächlich sehr viel mehr neue Plätze geschaffen wurden als im Modell angenommen. Das ist nicht verwunderlich, weil im Modell ein Teil der Mittel für einen besseren Personalschlüssel vorgesehen war. Dieses Geld dürfte tatsächlich in den Ausbau der Plätze geflossen sein.

Ebenfalls erfreulich ist, dass die Steigerung der Beschäftigung bei den erwerbstätigen Müttern den Modellschätzungen entspricht. Hier gab es laut Mikrozensus einen Zuwachs von 5.700 Jobs, und zwar von 259.600 auf 265.300. Das liegt über dem pessimistischen Szenario des Modells von knapp 4.400. Angesichts der schwachen Wirtschaftsentwicklung in den letzten Jahren ist es auch nicht überraschend, dass sich der reale Effekt am unteren Rand der Bandbreite befindet. Auch wenn der Mikrozensus eine gewisse Schwankungsbreite hat, zeigen die Zahlen doch in die gleiche Richtung.

Und die Effekte für das Budget?

Eine Abschätzung der budgetären Effekte ist schwer möglich, da keine zuordenbaren Einkommensdaten vorliegen. Die angeführten Beschäftigungseffekte deuten aber darauf hin, dass die Einnahmen der öffentlichen Hand ebenfalls zumindest in der Tendenz richtig abgeschätzt worden sind.

Die Annahmen, die dazu im Modell getroffen wurden, sind jedenfalls eher konservativ einzuschätzen (zB. 70% Teilzeit bei den erwerbstätigen Müttern) – genauso wie die Einsparungen aus der Arbeitslosenversicherung (1/3 der direkt Beschäftigten kommen aus Arbeitslosigkeit). Eine genaue Analyse wäre aber nur durch eine Auswertung von Mikrodaten, zB Daten des EU-SILC, möglich.

Elementarbildung rechnet sich wirklich

Zusammenfassend kann gesagt werden: das Modell wird bestätigt. Es wurde zwar weniger Geld investiert als das Modell vorgesehen hätte, aber die Größenordnung der Beschäftigungseffekte wurde ziemlich punktgenau abgeschätzt. Damit dürften auch die im Modell geschätzten Rückflüsse tendenziell richtig sein. Ein guter Grund, die Investitionen des Bundes in die elementare Bildung über 2017 hinaus zu verlängern.

Zudem braucht es eine nachhaltige Finanzierung der laufenden Kosten, damit die Gemeinden nicht dabei an ihre finanziellen Grenzen stoßen. Auch hier gibt es konkrete Modelle zu Umsetzung. Gemeinden sollen künftig konkrete Zuschüsse erhalten, für jedes Kind, das eine elementare Bildungseinrichtung besucht. Diese Zuschüsse sollen nach Alter des Kindes, den Öffnungszeiten der Einrichtungen und sozialen Kriterien gestaffelt sein. Damit würde sichergestellt, dass die positiven Effekte der elementaren Bildung auf allen Ebenen dauerhaft sind.