Kinderbetreuungsgeld und Gleichstellung: Aktuelle Befunde und Ausblick auf das Konto

25. Februar 2016

Fördert das Kinderbetreuungsgeld eine partnerschaftliche Arbeitsaufteilung der Eltern? Und wie sind die aktuellen Reformvorschläge des Familienministeriums aus gleichstellungspolitischer Sicht zu bewerten? Diesen Fragen geht dieser Beitrag auf Basis einer Analyse des Kinderbetreuungsgeldes im europäischen Vergleich und der Ergebnissen des AK Wiedereinstiegsmonitoring nach.

 

Kinderbetreuungsgeld im europäischen Vergleich

Kürzlich hat Helene Dearing in diesem Blog das Kinderbetreuungsgeld im europäischen Vergleich eingeordnet. Fokus der Analyse war die Frage, wie gut Karenzmodelle eine partnerschaftliche Aufteilung der Arbeit von frisch gebackenen Eltern fördert. Diese Frage wird anhand des „Equal Gender Division of Labour“ (EGDL) Indikators beantwortet, der ein „ideales“ Referenzmodell als Maßstab nimmt. Dieses sieht 14 Monate an gut bezahlter Karenz vor, wobei die Hälfte davon für die Väter reserviert ist. Das Fazit der Analyse: Grundsätzlich ist das Kinderbetreuungsgeld (KBG) schwer einzuordnen, da es fünf verschiedene Auszahlungsvarianten vorsieht. Rangiert die längste Pauschalvariante des KBG beim EGDL-Ranking der Länder im unteren Mittelfeld, so befindet sich Österreich mit dem einkommensabhängigen KBG – nach Island und Schweden – auf Platz 3 des Rankings und ist somit in einer Ländergruppe, die besonders gut eine partnerschaftliche Arbeitsaufteilung fördert.

Nun stellt sich die Frage, wie die unterschiedlichen Varianten des KBG in Österreich in Anspruch genommen werden.

Nutzung der verschiedenen KBG-Modelle

Ergebnisse dazu gibt es im AK Wiedereinstiegsmonitoring, einem Beobachtungsinstrument auf Basis einer Vollerhebung (440.000 Personen) über die Gestaltung der Karenz, die von L&R Sozialforschung im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der AK durchgeführt wird (Eine detaillierte Beschreibung findet sich in den Beiträgen von Gerlinde Hauer zu den Karenzzeiten von Frauen und Vätern in Karenz).

Gerade was die Inanspruchnahme der verschiedenen Modelle betrifft, zeigt sich, dass die Gestaltung der Geldleistung erheblichen Einfluss auf die Dauer der Karenz hat.

Die nachfolgende Grafik zeigt die Inanspruchnahme der verschiedenen KBG-Modelle durch Frauen mit Geburt 2006 – 2012. Die Betrachtung dieses Zeitraums ist besonders interessant, da diese Karenzverläufe vor und nach der Einführung der neuen kürzeren Bezugsmodelle des KBG (siehe Kinderbetreuungsgeld-Varianten | AK Wien) mit höherer monatlicher Leistung ab 2008 zeigt. Davor gab es nur das 30 plus 6 Monate Modell, ab 2010 konnten dann Eltern zwischen fünf verschieden langen KBG-Bezugsmodellen wählen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Die Grafik zeigt, welche KBG-Modelle Frauen wählen, die vor der Geburt gut erwerbsintegriert waren (=mind. 50 % Beschäftigungstage im Jahr vor der Geburt). Hier zeigt sich, dass die beiden Modelle 20 plus 4 Monate und das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld (12 plus 2 Monate) mittlerweile von diesen Frauen fast ebenso oft genutzt werden wie das 30 plus 6 Modell. Zudem entscheiden sich nur mehr ein Drittel aller Frauen für die KBG-Variante mit der längsten Bezugsdauer.

Bei Männern sieht die Nutzung der Kinderbetreuungsgeld-Modelle ähnlich wie bei den Frauen aus, denn mit Ausnahme der Kombinationsmöglichkeit zwischen dem 12 plus 2 Pauschalmodell mit dem einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld müssen sich beide Elternteile für dasselbe Modell entscheiden. Da allerdings eher in Partnerschaften geteilt wird, die Kurzvarianten wählen, werden diese von Männern etwas mehr genutzt (70 % der Männer mit KBG-Bezug, die vorher gut erwerbsintegriert waren, beziehen 2012 eine der vier Kurzvarianten).

Kürzere KBG-Modelle fördern kürzere Berufsunterbrechungen von Frauen

Die starke Nutzung der Kurzmodelle hat die Unterbrechungsdauern insgesamt verkürzt. Und das, obwohl der arbeitsrechtliche Anspruch auf Karenz bis maximal zum 2. Geburtstag des Kindes und die Zuverdienstmöglichkeiten gleich geblieben sind. So sind knapp die Hälfte (49%) Frauen mit Geburt 2006, die davor gut erwerbsintegriert waren, zum 2. Geburtstag des Kindes wieder eingestiegen. Bei Frauen mit Geburt 2010 liegt dieser Anteil bereits bei 58 Prozent. Im Detail zeigt sich, dass Frauen, die eine der Kurzvarianten gewählt haben, deutlich früher wieder zurück in den Beruf kehren.

Das heißt, der mit der Einführung der kürzeren KBG-Modelle intendierte Anreiz, frühere Wiedereinstiege von Frauen zu unterstützen, wirkt tatsächlich.

Kurzmodelle heben auch die Väterbeteiligung

Hinsichtlich der Erhöhung der Väterbeteiligung ist der Befund bezüglich Wirkung der Kurzmodelle dagegen deutlich ambivalenter: Eindeutig ist die Steigerung der Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsgeld. Allerdings ist die Väterbeteiligung mit 15 % aller Partnerschaften, von denen ein Drittel die Erwerbstätigkeit während des KBG-Bezugs überhaupt nicht unterbricht, noch immer gering.

Also unterbricht nur in jeder 10. Partnerschaft auch der Mann seine Erwerbstätigkeit zur Betreuung des Kindes. Zusätzlich relativiert wird dieses Ergebnis dadurch, dass drei Viertel davon maximal 3 Monate unterbrechen. Und: Nur diese sehr kurzen Unterbrechungen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, während längere Unterbrechungen bei Männern zurückgegangen sind. Eine Wirkung, die durch die Herabsetzung der Mindestbezugsdauer von drei auf zwei Monaten 2010 wesentlich befördert wurde, da sich Männer an der kürzestmöglichen Bezugsdauer orientieren.

Eine Väterbeteiligung also, die 25 Jahre nach Einführung der Väterkarenz noch mehr als ausbaufähig ist.

Väterkarenz fördert den Wiedereinstieg der Partnerin

Die Ergebnisse des Wiedereinstiegsmonitoring zeigen auch eine positive Wechselwirkung zwischen Karenz der Väter und Wiedereinstiegschancen der Mütter.

Mehr als drei Viertel der Frauen, deren Partner auch die Erwerbstätigkeit im Kinderbetreuungsgeldbezug unterbricht, sind zum 2. Geburtstag des Kindes wieder erwerbstätig. Bei Frauen mit alleinigem Kinderbetreuungsgeldbezug sind es dagegen nur gut die Hälfte (56 %).

Aktueller Reformvorschlag zum Konto

Der aktuelle Reformvorschlag des Familienministeriums sieht nun statt der fix vorgegebenen vier Pauschalvarianten ein Konto beim Kinderbetreuungsgeld vor, bei dem Eltern selbst entscheiden, über welchen Zeitraum der pauschale Gesamtbetrag von 15.450 Euro ausbezahlt werden soll. Wird die volle Ausbezahlung angestrebt so gibt es eine Grundvariante zu berücksichtigen, welche auf eine gewisse Maximaldauer ausgeweitet werden kann. Bei der Inanspruchnahme durch beide Eltern liegt die Grundvariante bei einer Auszahlung von 1.033 Euro monatlich für 456 Tagen (ca. 15 Monate). Diese kann auf eine Maximaldauer von 1.063 Tage (ca. 35 Monate) bei einer Auszahlung von ca. 436 Euro monatlich verlängert werden. Dabei sind in der Grundvariante rund 3 Monate für die Väter reserviert, in der Maximalvariante 7 Monate. Gleichzeitig soll die einkommensabhängige Variante des KBG in der jetzigen Form erhalten bleiben.

Wie schneidet der aktuelle Reformvorschlag im EGDL Vergleich ab?

Die Grafik zeigt die Bewertung der verschiedenen Karenzmodelle durch den EGDL Indikator. Dieser variiert zwischen einem Wert von Null und Eins und gibt an, wie gut ein Karenzmodell eine partnerschaftliche Arbeitsaufteilung zwischen den Eltern fördert. Die unterschiedlichen Balkenelemente geben Hinweis auf das Abschneiden der Länder in Hinblick auf die Charakteristika von Dauer, Bezahlung und Vaterquote.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Zur Veranschaulichung ist das „ideale“ Modell als linierter Balken zu erkennen. Dieses erreicht (theoretisch) einen maximalen EGDL-Wert von Eins und sieht 14 Monate von gut bezahlter Elternkarenz vor, wovon die Hälfte für Väter reserviert ist. Die Ergebnisse zeigen, dass Island und Schweden besonders gut bei der Förderung partnerschaftlicher Arbeitsaufteilung abschneiden. In Island bspw. können Eltern für 15 Monate in Karenz gehen, wobei neun Monate davon gut bezahlt sind und davon wiederum drei explizit für die Väter reserviert sind.

Um hier die Reformvorschläge einzuordnen wurden für Österreich vier verschiedene Varianten berechnet: das aktuelle KBG in der längsten Variante („KBG 30 + 6“) und in der einkommensabhängigen Variante („KBG Eink Ab“), sowie die aktuellen Reformvorschläge in der Grundvariante des Kinderbetreuungsgeldkontos („KBG NEU Grund“) und in der längsten Variante („KBG NEU Lang“). Betrachtet man die beiden Langvarianten ändert sich durch die Reform der EGDL-Wert nicht. Dies hängt damit zusammen, dass in beiden Varianten die Bezahlung unter 500 Euro liegt. Da Erkenntnisse aus der Fachliteratur aber darauf hindeuten, dass es vor allem für die Inanspruchnahme durch Väter wichtig wäre Karenzzeiten gut zu bezahlen, berücksichtigt der EGDL Indikator nur gut bezahlte Karenzzeiten. Die Grundvariante des Reformvorschlags schneidet aber, ebenso wie die einkommensabhängige Variante, relativ gut ab, da sie 15 Monate gut bezahlte Karenzzeiten vorsieht und 3 Monate davon für die Väter reserviert sind.

Die Analyse auf Basis des EGDL-Indikators bezieht sich allerdings nur auf die rechtlichen Rahmenbedingungen des KBG und nicht auf etwaige Nutzungseffekte, die sich positiv auf die Gleichstellung auswirken könnten. So ist bspw. denkbar, dass durch den Wegfall des Anreizes für die Langvariante, bei der bisher der Gesamtbetrag der Auszahlung am höchsten war, öfters kürzere Bezugsdauern gewählt werden, die auch für die Väter attraktiver sind.

Weitere positive Anreize zur Gleichstellung

Der Indikator konzentriert sich allerdings nur auf die drei groben Eckpunkte von Dauer, Bezahlung und Vaterquote. An dieser Stelle seien demnach auch einige positive Aspekte des Reformvorschlags für die Förderung einer partnerschaftlichen Arbeitsaufteilung zu erwähnen, die nicht vom EGDL-Indikator erfasst werden, und die auf Basis der Ergebnisse des AK Wiedereinstiegsmonitorings als Impulse für mehr Gleichstellung zu werten sind. Dazu gehört die Einführung eines Partnerschaftsbonus von zusätzlich Euro 500 pro Elternteil die sich die Karenzzeiten entweder zu gleichen Teilen oder zumindest 60:40 aufteilen. Bessere Anreize zu mehr Väterbeteiligung sind auch von den höheren Anteilen an Bezugstagen, die für den Partner reserviert sind, zu erwarten.

Geplant ist auch eine Art „Papamonat“ (im Rahmen des sogenannten „Familienbonusgesetz“) allerdings ohne einen Rechtsanspruch auf Freistellung von der Erwerbsarbeit und mit einer finanziellen Abgeltung von nur 700 Euro. Die Tatsache, dass das durchaus positiv zu bewertende „Familienbonusgesetz“ aber nicht vom EGDL Indikator erfasst wird, deutet aber auch auf die „Halbherzigkeit“ des Vorschlags hin. Wäre bspw. das Familienzeitgesetzt mit einem Rechtsanspruch verbunden und besser bezahlt, würde dies den EGDL Wert für Österreich deutlich verbessern.

Dass nun auch Frauen , die sich für kürzere Bezugsdauern entscheiden, insgesamt gleich viel Geld erhalten, als jene die sich für lange Unterbrechungen entscheiden, steigert die Attraktivität kürzerer Berufsunterbrechungen von Frauen und verbessert damit – wie die Ergebnisse des AK Wiedereinstiegsmonitoring zeigen – die Wiedereinstiegschancen. Möglicherweise kann auch die deutlich flexibleren Gestaltbarkeit der Bezugsdauer beim Kinderbetreuungsgeld Impulse in diese Richtung geben – abgesehen davon, dass sie den individuellen Bedürfnisse der Eltern entgegenkommt. Wichtig ist dafür jedenfalls, dass das Kinderbetreuungsgeldkonto durch einen Online-Rechner für Mütter und Väter einfach anwendbar wird.

Um ein Signal für partnerschaftliche Teilung zu setzen, sollte der Online-Rechners so gestaltet sein, dass die Grundeinstellung auf eine 50:50 Aufteilung eingestellt wird. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass nicht die gesetzliche Möglichkeit einer gleichen Aufteilung zwischen den Elternteilen ausschlaggebend für tatsächliche Inanspruchnahme des KBG ist, sondern dass die Darstellung der KBG-Modell-Varianten mit der jeweiligen Mindestbezugsdauer des zweiten Elternteils (12+2 Modell, 15+3 Modell etc.) als Richtwert für die Aufteilung genommen wurde.