10 Jahre Abfertigung neu – ausser Spesen nichts gewesen ?

24. Juli 2013

 

Vor 10 Jahren wurde die Abfertigung neu geregelt. Die alte Abfertigung war dringend reformbedürftig und die Reform brachte viele Vorteile. Aber es besteht kein Grund für überschwenglichen Jubel, um es vorsichtig zu formulieren. Die sozialpolitischen Zielsetzungen der Reform wurden erfolgreich umgesetzt. Aber die Auslagerung an gewinnorientierte Vorsorgekassen erweist sich vor allem für diese als gutes Geschäft.

 

Vorneweg: Die Reform der Abfertigung hat zwei wichtige sozialpolitische Zielsetzungen erfüllt: erstens wurden alle ArbeitnehmerInnen in das System einbezogen und zweitens wurde die Mobilität der ArbeitnehmerInnen erhöht. Die Abfertigung Alt verfiel bei Selbstkündigung und galt nur für Dienstverhältnisse, die länger als drei Jahre gedauert haben. Das führte dazu, dass in Branchen mit hoher Fluktuation kaum Abfertigungen bezahlt werden mussten. Das ist nun anders. Mittlerweile wurden auch freie DienstnehmerInnen und Gewerbetreibende in das neue System einbezogen.

Die neue Abfertigung ist ein guter und richtiger Schritt in Richtung Flexicurity gewesen. Ansprüche sollen davon abhängen wie lange man gearbeitet hat und nicht bei wie vielen Dienstgebern. Bei der Abfertigung Neu ging man diesen Weg.

Aber: Mit der Reform der Abfertigung wurden gesetzlich obligatorische arbeitsrechtliche Ansprüche an gewinnorientierte Unternehmen ausgelagert, die die Beiträge an den Finanzmärkten veranlagen. Und das war keine besonders gute Idee. Mit der Annahme einer hohen Rendite wurde der bescheidene Beitragssatz von 1,53% begründet.

2003 wurde in Aussicht gestellt, einen Anspruch in der Höhe eines Jahresentgelts würde man statt nach 25 Jahren in der alten Regelung nach 37 Jahren erreichen. Dafür müssten die Kassen allerdings eine Nettorendite von 6% erreichen. Das war schon damals eine unrealistisch optimistische Annahme.

Dass keine 6% erreicht werden konnten, ist nicht die Schuld der Kassen. Das Zinsniveau bei einigermaßen sicheren Produkten ist derzeit am Boden.

Für die Abfertigung Neu gilt eine Kapitalgarantie, die Kassen müssen daher sinnvollerweise Risken begrenzen. Die durchschnittliche jährliche Performance (annualisiert) liegt für die Jahre 2004 bis 2012 bei 2,7%. Dabei sind aber die Verwaltungskosten, die sich die Kassen von den laufenden Beiträgen abziehen noch nicht berücksichtigt. D.h. für die meisten Anspruchsberechtigten liegt die Nettoverzinsung ihrer Beiträge deutlich unter der Preissteigerungsrate.

Ein Blick in die Bilanzen der Vorsorgekassen zeigt, dass die Abfertigung Neu für die Eigentümer der Vorsorgekassen ein sehr gutes und komfortables Geschäft ist. Die Langfassung der Bilanzanlyse finden Sie hier. Der Gesetzgeber sorgt dafür, dass die Arbeitgeber monatlich 1,53% der Entgelte in die Vorsorgekassen einzahlt. Diese nehmen die Beiträge entgegen und ziehen von diesen und dem verwalteten Vermögen hohe Kosten ab. Stellt man verrechnete Kosten und Beiträge gegenüber, so kommt man nicht umhin, dieses Systeme als sehr teuer bezeichnen zu müssen. Die Veranlagungserträge betragen 2003 bis 2012 567,4 Mio. Euro, die abgezogenen Verwaltungskosten summieren sich auf beachtliche 273,16 Mio. Euro. Die Kosten entsprechen also fast der Hälfte (48%) der Erträge. Das ist für die Kassen profitabel, für die ArbeitnehmerInnen aber nicht effizient.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Die Kassen verrechnen weitaus höhere Kosten als der Betrieb des Systems kostet. Daher steigen die Gewinne für die Eigentümer und die Eigenkapitalrendite laufend an. Wenn man die Kosten, die die Kassen verrechnen, ihren Betriebsaufwendungen gegenüberstellt, sieht man dass den Eigentümern der Kassen Jahr für Jahr mehr Geld übrigbleibt. Lediglich 2011 ist hier eine Ausnahme: die Kassen dürfen die vollen Kosten nur verrechnen, wenn sie durch das Veranlagungsergebnis gedeckt sind. Die Veranlagung gab das 2011 nicht her. Das macht aber nichts, die Kassen haben die Kosten 2012 nachverrechnet. Dies führte dazu, dass die verrechneten Kosten 2012 um 93% über den Aufwendungen lagen und die Eigenkapitalrendite auf sage und schreibe 39% kletterte.

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Es liegt auf der Hand, dass man eine jährliche Verzinsung von 2,7% mit einem günstigeren System erreichen könnte. Das hätte den Vorteil, dass die überschaubar hohe Rendite nicht noch durch hohe Kosten reduziert wird. Die Grafik zeigt, dass die Performance für die ArbeitnehmerInnen eine weniger dynamische Entwicklung macht, als die Eigenkapitalrendite für die Eigentümer.

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Die Organisierung des Systems mittels gewinnorientierter Vorsorgekassen sollte entweder reformiert oder überhaupt hinterfragt werden: Entweder sollten die gesetzlich zulässigen Kostensätze reduziert werden, oder man schafft eine neue nicht gewinnorientierte Institution, die es sicher schafft, ähnlich hohe Erträge mit einer schlankeren Verwaltung zu generieren.

Das jetzige System hat für die Anspruchsberechtigten einen sehr hohen Verwaltungsaufwand und bringt eine sehr geringe Nettorendite. Da es sich um ein Obligatorium (verpflichtendes System) mit hohen Kosten handelt, erzeugt das System automatisch steigende Gewinne für die Vorsorgekassen. Der Wettbewerb hat da bisher keine Abhilfe geschaffen. Die Kassen haben ihre Kostensätze seit Einführung des Systems nicht gesenkt. Folge: mit steigender Anzahl von ArbeitnehmerInnen im neuen System und steigendem verwalteten Vermögen steigen die Einnahmen und Gewinne für die Kassen kontinuierlich an.

Wenn die Abfertigung Neu ein vernünftiges Leistungsniveau bringen soll und keine Subventionierung der Finanzwirtschaft, dann brauchen wir eine Reform der Reform.